Von der Schlachtpforte zum Schlacht- und Viehhof
Heinz-Jürgen Torff
Ehrenvorsitzender Heimatkreis Stargard
Von der Stadtseite neben der Fußgängerbrücke über die Ihna (Arche) in der östlichen Stadtmauer befand sich ehemals die Schlachtpforte, eine der zwei Pforten in Stargards Stadtmauer. Hier in unmittelbarer Nähe befand sich das allgemeine Schlachthaus der Stadt. Um das Jahr 1780 wurde das Schlachthaus vor das Mühlentor verlegt, in die Nordmauerstraße 9 a.
Gut 100 Jahre später fand es dann seinen endgültigen Platz in einer großangelegten modernen Schlachthofanlage außerhalb der Stadtmauer gegenüber dem Kleinbahnhof zwischen Birkenweg und Ihna. Der städtische Schlachthof war wohl bei seiner Inbetriebnahme am 27. Oktober 1896 der modernste seiner Art in ganz Pommern.
423000 Mark kostete damals der Stadt diese Anlage, die zur Straße aus zwei Wohngebäuden für Verwaltung und Dienstwohnung der Beamten bestand, dazwischen war die Freibank (vielen Stargardern während der Lebensmittelmarkenzeit noch in guter Erinnerung).
Technisch damals auf dem letzten Stand waren die Schlachthallen und Ställe in Hufeisenform auf dem großen Grundstück angeordnet, Groß- und Kleinvieh einerseits sowie für Schweine andererseits getrennt.
Die Rossschlächterei sowie das Krankvieh‑Schlachthaus befanden sich auf dem hinteren Teil des Grundstücks zur Ihna hin. Die Kühlung war damals schon nach dem Linde-System mit Ammoniak ausgerüstet, außen Backstein, innen die besten Kacheln. Die Abwässer wurden durch Sinktöpfe und spezielle Siebvorrichtungen mechanisch gereinigt, der Rest floss in die Ihna. Allein 20 Kühlzellen standen hier zur Verfügung. Die Einzelmiete der Zelle für einen Sommer betrug 75,-- Mark.
Geschlachtet wurden hier z.B. in einem Jahr (1897) gleich nach der Eröffnung: 2193 Rinder, 2824 Kälber, 5172 Schafe, 8983 Schweine und 57 Pferde. Nach Norden hin schloss sich der Viehmarktplatz an. Die ganze Anlage hatte einen Eisenbahnanschluss für die Kleinbahn, aber auch für die Reichsbahn.
Eine Episode zum Abschluss:
Wir hatten als Kinder in den Kriegsjahren und davor das Glück, von den Eltern der Jugendfreundin meiner Mutter zu vielen Familienfeiern in die Bergstraße eingeladen zu werden. Zum Kaffee gab es Kuchen, unbegrenzt, und unser Bekannter, den wir Onkel nannten, pries wie immer seinen Krümelkuchen an, da unsere Augen stets in Richtung Torte gingen. Zum Abendbrot kam, anders kannten wir es nie, eine Steingutschüssel mit einer Wurst als Deckelgriff auf den gedeckten Tisch. Es war unschwer zu raten, was darin in heißem Wasser auf unseren Heißhunger wartete. Zu Hause wurde schon längst, wenn es Fleisch gab, in Portionen eingeteilt - hier nicht.
Oft sah ich den Onkel vor seiner Haustür mit einem freundlichen Lächeln stehen. Lange habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, was er wohl von Beruf wäre, wenn er schon nachmittags vor seiner Haustür stand. Schließlich habe ich herausbekommen, dass er Beamter war. Erst jetzt bei meinen Stargarder Adressbüchern war mir das Geheimnis der wunderbaren Würstchen klar:
Unser Onkel war städtischer Trichinenbeschauer auf dem Stargarder Schlacht- und Viehhof, und geschlachtet wurde vormittags.
Ergänzung
Stadtrat Dr. Schwartz Das heutige Stargard
aus Unser Pommernland, 1. Jahrgang 1912-1913
Im Norden der Stadt liegen dann ferner noch der 1894 bis 1896 für 432.000 Mk. erbaute Schlachthof, der später mannigfach vergrößert und auch mit einem Kühlhausbau versehen wurde. 1903 wurde hieran mit einem Kostenaufwand von 95.000 Mk. der Viehhof angeschlossen, der als besondere pommersche Spezialität eigene Vorrichtungen für die Aufnahme großer Gänseherden hat und voraussichtlich auch in nicht ferner Zeit eine bedeutende Vergrößerung erfahren muss.
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