Baubeginn im Deutschlandhaus

Hartmut Saenger
Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft
"Die Pommersche Zeitung" vom 22. Juni 2013

 

Baubeginn Deutschlandhaus

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (zweite Reihe) und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (Mitte) lassen sich vom Direktor der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" Manfred Kittel Bilder einer Freiluftausstellung zum Baubeginn erläutern.

In einem Festakt wurde jetzt vom Kulturstaatsminister Bernd Neumann der Baubeginn der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Berliner Deutschlandhaus gefeiert.

„Der Baubeginn ist ein guter Tag für Deutschland",

stellte dazu Erika Steinbach fest. Sie hatte als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen seit 1999 die Initiative für ein solches Dokumentationszentrum zur Vertreibung der Deutschen ergriffen. Deshalb freute sie sich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach, die gleich zu Beginn ihrer Kanzlerschaft 2005 die Idee von Frau Steinbach aufgegriffen hatte, um

„die Erinnerung an jene Tragödie und die ausgestreckte Hand zur Versöhnung gemeinsam sichtbar zu machen".

Jetzt konnte die Kanzlerin rückblickend feststellen:

„Der Gegenwind war stark, hoch schlug die Welle der Emotion. Doch Erinnerung braucht ihren Raum und diesen Raum schaffen wir jetzt."

Durch den Umbau des Deutschlandhauses soll nach dem Architektenentwurf auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern Raum für eine Dauerausstellung und eine Reihe von Wechselausstellungen geschaffen werden. Eine Bibliothek, Konferenz- und Fachtagungsräume für Forschung und Wissenschaft sowie ein Gedenkraum und das Lastenausgleichsarchiv runden das Raumkonzept ab.

Das Ganze wird etwa 30 Millionen Euro kosten. Die Dauerausstellung soll 2015 fertig sein. Die Bundeshauptstadt bekommt so ein weiteres wichtiges zeithistorisches Dokumentationszentrum in dem stark von Touristen geschätzten Bereich zwischen Reichstag, Potsdamer Platz und Checkpoint Charlie.

Mit der schrittweisen Errichtung einer bundesstaatlichen Stiftung in Berlin wird verwirklicht, worum Erika Steinbach über zwölf lange Jahre mit viel Überzeugungskraft bei Wissenschaftlern geworben und mit viel Nachdruck bei Politikern gekämpft hat. Drei große Schrittsteine haben diesen Erfolg mitgeprägt: Drei Wanderausstellungen der von ihr vertretenen Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen haben die inhaltliche Konzeption über Flucht und Vertreibung als gesamteuropäische Gewalterfahrung im Europa des 20. Jahrhunderts so ausgeformt, dass sie jetzt Grundlage für die Berliner Stiftung sein wird. Damit hat Erika Steinbach ein entscheidendes Zwischenziel erreicht.

Jetzt ernten auch die Deutschen keineswegs nur die Vertriebenen den Ertrag aus diesen jahrelangen Bemühungen um einen angemessenen Platz in der deutschen Erinnerungskultur. Im Erfahrungsbericht des Stiftungsdirektors, Prof. Dr. Manfred Kittel wird festgestellt, dass wichtige Botschaften der Stiftung angekommen seien:

„Das Gedenken an Flucht und Vertreibung ist angesichts der Dimension dieser Tragödie ein essentieller Bestandteil bundesdeutscher Erinnerungskultur. Die Vertreibung von an die 14 Millionen Menschen und der Verlust eines großen Teils des staatlichen Territoriums gehören zu den gravierendsten Erfahrungen in der deutschen Geschichte."

Eine sehr wichtige Rolle beim Streit um die Stiftung hat die Deutung der geschichtlichen Zusammenhänge der Vertreibungen in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gespielt. Hier hat sich in der teilweise polemischen deutschen Debatte und nach und nach auch im Stiftungsrat und im international besetzten Wissenschaftlichen Beraterkreis die Erkenntnis durchgesetzt, dass die gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte der Versöhnung und Verständigung mit den Nachbarn des östlichen Europas dienen kann. Beide Gremien waren nach intensiven Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Konzeption die Vertreibung der Deutschen und deren historische und geografische Kontexte im Europa des 20. Jahrhunderts „in einem stimmigen Verhältnis stehen", wie es im Stiftungsbericht heißt. Wer hätte das zu Beginn der Debatte gedacht?!

Mit Bezug auf die Formulierungen in der Stiftungskonzeption konnte deshalb die Bundeskanzlerin im Oktober 2012 über den Geist der Arbeit am Dokumentationszentrum feststellen:

„Unrecht hat in der Geschichte oft zu neuem Unrecht geführt, doch schafft früheres Unrecht, auch wenn es noch so groß war, keine rechtliche oder moralische Legitimation für neues Unrecht. Dies gilt auch und gerade für die Vertreibung der Deutschen im östlichen Europa nach 1945."

Die deutschen Vertriebenen werden aufmerksame Begleiter der weiteren Arbeit im Deutschlandhaus sein. Für sie ist dieses Haus auch ein Ort, der mit der Integration von Millionen Vertriebenen verknüpft ist. Sie wollen sich dort auch in Zukunft mit ihrer Geschichte wiedererkennen.

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