Heinz-Jürgen Torff
Ehrenvorsitzender des Stargarder Heimatkreises
aus seinem Buch "Erinnerungen an Stargard in Pommern"
siehe auch unter Literatur
Die Gedenkanlage auf dem Stargarder Friedhof am Preußenweg
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Gerade in der Zeit, in der das Jahr dem Ende zugeht, gingen wir vermehrt auf unseren Friedhof, um der Lieben zu gedenken, die nicht mehr unter uns weilten. Für meine Brüder und mich, die wir unsere eigenen Großeltern leider nie selbst erlebten, war der Besuch an ihrem Grab immer etwas Besonderes. Ich habe den schönen hohen schwarzen Marmorstein auf dem weißen Sockel heute noch in meinem Gedächtnis und erinnere mich gerne daran.
Alter Friedhof
1985, vierzig Jahre nach Kriegsende, hatte ich bei einem Besuch den Wunsch, die Grabstätte der Großeltern auf dem Friedhof aufzusuchen. Den Friedhof gab es noch, aber kein Grab hatte noch eine deutsche Inschrift, alle waren entfernt worden. Was sollte wohl eine neue Bevölkerung mit fremden Gräbern und Grabsteinen in dieser Anzahl anfangen? Der Zufall kam mir zu Hilfe. Ein älterer Berufskollege, der im letzten Krieg bei Stargard verwundet in Gefangenenschaft geriet, kam in das russische Kriegsgefangenenlazarett in der Jobstschule. Die nicht mehr bettlägerigen deutschen Kriegsgefangenen wurden von den russischen Offizieren zur Arbeit unter anderem auch auf dem Friedhof eingesetzt, um Marmorsteine zu brechen für den Bau eines russischen Siegerdenkmals auf unserem früheren Gerichtsplatz. Diese Schwerarbeit wurde mit einem Essenszuschlag besonders belohnt. Die Randstücke, die nicht mehr zu gebrauchen waren, konnte man später als Wegeinfassung im alten Goethepark wieder finden.
Die Stargarder Friedhöfe gehörten zu unserer Zeit den drei vereinigten Kirchenräten von St. Marien, St. Johann und Heilig‑Geist laut Kirchhofsordnung vom Jahre 1916. Die Großeltern des Verfassers, August und Auguste Steingräber, hatten zu Lebzeiten im Jahre 1921 für ein 3 m breites Erbgrab die Summe von 300 Mark bezahlen müssen. Da ich die Reihe und die Grabnummer noch in meinem Gedächtnis hatte, stellte ich bei meinem Besuch 1985 fest, dass eines der beiden Wacholderbäumchen, inzwischen zirka vier Meter hoch, durchgehalten hatte und mir noch sehr vertraut erschien.
Gedenkanlage des HKA Stargard
Meine nächsten Besuche in meiner Heimatstadt fanden vermehrt mit dem 1. Vorsitzenden des Stargarder Heimatkreises, Joachim Radtke, statt. Als Vertreter des Heimatkreises Stargard in Elmshorn und teils auch im Auftrag oder mit Unterstützung unserer Patenstadt Elmshorn suchten und fanden wir beide Kontakt und auch tatkräftige Unterstützung bei den neuen politischen Führungskräften in der jetzt polnischen Stadt Stargard‑Szczezinski. Die Stadtregierung unter Leitung des Stadtpräsiden Kazimierz Nowicki, seines Vertreters Jan Dabrowski sowie des Stadtrates Adam Kisio, kam uns nach mehreren in guter Atmosphäre stattgefundenen Gesprächsrunden stets sehr entgegen. Die vier von uns noch mit abenteuerlichen Suchmethoden entdeckten deutschen Grabsteine wurden zum jetzt polnischen Bauhof transportiert, restauriert und in die Obhut eines Friedhofgärtners gebracht.
Der Grabstein des Stargarder Kirchenhistorikers Pastor Ulrich Redlin wurde, wie schon berichtet, offiziell von Vertretern der Kirche und der Politik begleitet und in einer Mariennische in der Krämerkapelle von St. Marien mit Kunstschmiedearbeiten befestigt. Da wir, J. Radtke und der Verfasser, damals 1. und 2. Vorsitzende des Stargarder Heimatkreises unserer Patenstadt Elmshorn, eine bleibende Erinnerungsstätte unserer Toten in ihrer Heimatstadt im Sinn hatten, richteten wir uns auf mehrere Vorgespräche ein. 1997 hatten wir dann die Gelegenheit, wieder etwas Gutes zu tun. Mit zwei Lastwagen der Stadt Elmshorn und vier Begleitpersonen als Fahrer transportierten wir, nach vorheriger Bedarfsanfrage und Wunsch gut erhaltene komplette Schulmöbel und andere Ausrüstungen in unsere frühere Knaben-Mittelschule nach Stargard. Unsere Vorfreude war groß, aber leider wurde die Fahrt zu einer aufregenden und strapaziösen Reise, sehr erschwert durch den neuen Zoll an dem polnischen Grenzübergang. Die Hilfsfahrten, die jahrelang ohne Probleme stattfanden, wurden durch die übertriebene Zollbürokratie der Polen zum Bumerang für unser Vorhaben. Der schon herzgeschwächte Joachim Radtke überstand diese Aufregungen nicht mehr und verstarb noch abends in seiner Heimatstadt, und so musste das Thema „Gedenkanlage" vertagt werden. Da auch im selben Jahr politische Wahlen in Polen stattfanden, hatte auch der bisherige Stadtratsvorsitzende, Adam Kisio, im Stadtrat nicht mehr das alleinige Sagen.
Es wurden jetzt in Stargard durch den Verfasser, der kurzfristig die Nachfolge Radtkes als 1. Vorsitzender durch Beschluss antrat, noch einige Termine in der Heimatstadt notwendig. Erschwerend kam die Vorgabe hinzu, dass außer der Verantwortung für unser Vorhaben die komplette Finanzierung und Unterhaltung der von uns gewünschten Anlage allein durch den Heimatkreis der Stargarder gefordert wurde. Wir fanden auch schnell, nach Klärung dieser Forderungen, mit Hilfe eines uns gutgesinnten Dolmetschers, Herrn Pruskie, den Metall-Designer Mgr. Marian Preiss. Die Verhandlungen für die Errichtung der Gedenkanlage auch mit den gewünschten christlichen Motiven der metallischen Einfriedung und den Vorgaben des Stadtpräsidenten Nowicki verliefen bisher fast reibungslos.
Die feierliche Einweihung mit viel Prominenz
Da der Einweihungstermin am Sonnabend, dem 12. Juni 1999 eingehalten werden sollte, stellte sich nur noch ein Problem: Der Inhalt des Textes auf den Metallplatten. Zweisprachigkeit der Inschrift für die Verantwortlichen der alten und neuen Stargarder Bürger war beiderseits gewünscht. Der Inhalt des Textes wäre nur an einer von unserer Seite gewünschten Deklarierung unserer Vertreibungs Situation gescheitert. Wir kamen schließlich für die alten deutschen und neuen polnischen Bürger dieser Stadt, nach vorne in die Zukunft schauend, zu folgender Inschrift:
Zur Erinnerung
an die verstorbenen Bürger von Stargard
und an die Toten beider Nationen
die durch Krieg, Flucht und Verfolgung
in und um Stargard 1945 ihr Leben lassen mussten
Eine Mahnung an die Lebenden !
Reihenfolge der Rednerliste:
Stadtpräsident Mgr. Kaziemirz Nowicki
HKA-Stargard -Vorsitzender, H.-Jürgen Torff
Stadtrats-Vorsitzender R. Wirzbicki
Generalkonsul in Stettin, Klaus Ranner
Bürgervorsteher Ludowig, Patenstadt Elmshorn
Pastor i. R. Horst Beckmann
Prälat von St. Marien, Henry Osgar
Dann fand eine feierliche Stunde des Gedenkens unter dem Glockengeläut unserer alten Apostelglocke (durch eine Tonkassette aus Nördlingen) statt. Mit Unterstützung des Amtes für Kommunalwirtschaft und der Friedhofsverwaltung, die eine Verstärkeranlage aufgebaut hatten, hörte man den Klang der Glocke über alle Friedhöfe und die angrenzenden Stadtteile. Es war eine stille und festliche Stunde für alle Anwesenden, die auch von der Stargarder Presse und dem Stadtfernsehen begleitet wurde. Viele Stargarder Landsleute sagten und schrieben dem Verfasser: „Jetzt haben wir endlich wieder eine Stätte, an der wir stellvertretend unserer Verstorbenen gedenken können". Frau Tolksdorf, Nichte des ehemaligen Bezirksschornsteinfegermeisters Hermann Fleischer (großer Gedenkstein links), begleitete unser Bemühen über eine lange Zeit, sie schrieb: „Lieber Herr Torff, ich habe nie geglaubt, dass dies noch einmal Wirklichkeit werden würde, nun bin ich sehr beruhigt!"
Übernahme durch den HKA und die Pastoren beider Konfessionen
Finanziell war diese Anlage möglich geworden durch Spenden Stargarder Bürger, der Bezieher des Stargarder Jahresblattes und einer Spende der Patenstadt Elmshorn, nicht zu vergessen durch das hilfreiche und aktive Entgegenkommen der neuen Stargarder Stadtregierung unter dem Stadtpräsidenten, Herrn Mgr. Kazimierz Nowicki, der anlässlich der gerade stattfindenden „Stargarder Tage" mit dem Thema: „Kleine Heimat, gestern und heute" voll in Anspruch genommen wurde. Er lud uns mit seinen Stadtoberen noch zu einer Kaffeerunde in seine Amtsräume ein und betonte den gewünschten und wieder neu gelungenen Kontakt zwischen der Stadt Stargard‑Szczezinski, Elmshorn als deren Partnerstadt und den ehemaligen Stargarder Bürgern. Durch die Errichtung dieser Gedenkanlage ist es möglich geworden, dass alte und neue Bürger dieser Stadt hier einen gemeinsamen Ort der Trauer und der Erinnerung finden können.
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