Sozial-Kulturelle Gesellschaft
der deutschen Minderheit
Ortsgruppe Stargard
ul. I. Brygady 35 pok. 401
PL73-110 Stargard Szczec.

Gedenkveranstaltungen 2013 in Glien

Tag der deutschen Einheit

Stargard, den 18.11.2013


Von Anfang an weckte der einzigartige Sammelfriedhof ein großes Interesse bei den Mitgliedern der deutschen Minderheit in Stargard. Zum Teil deshalb, weil man 2001 auch in Stargard mehrere hundert Tote exhumiert hatte, die dann nach Glien überführt wurden. Ein anderer Grund für das so rege Interesse ist die Tatsache, dass der Friedhofsverwalter Piotr Nycz zu den ältesten (was die Dauer der Mitgliedschaft betrifft) und aktivsten Mitgliedern der Ortsgruppe Stargard zählt. Dank dieser persönlichen Verbindung wird die Ortsgruppe auf dem laufenden gehalten und über die Veranstaltungen auf dem Friedhof informiert. So waren wir z.B. bei der Einweihung 2006 oder der Einbettung der Marienburger Toten 2009 dabei. Selbstverständlich fehlen wir nicht bei den alljährlichen Einbettungen und Gedenkstunden zum Volkstrauertag. Im Jahre 2013 besuchten wir den Friedhof sogar dreimal.



Heimatkreis Stargard am 24.9.2013 in Glien

Der erste Besuch fand während des Heimattreffens Ende September statt, als die aus Deutschland gekommenen Stargarder eine kurze Rundfahrt durch die Gegend machten. Wir legten gemeinsam den Kranz nieder und beteten, um das Hochkreuz herum versammelt, für den Frieden für die Kriegstoten. Es war ein schöner, sonniger Tag, und die Worte des „Vater unser“, gesprochen von allen Trauernden, schwebten über den Gräbern. Ein ergreifender Augenblick. Danach luden wir unsere deutschen Gäste zum Kaffee und Kuchen in den benachbarten Botanischen Garten ein. So wurde der Tag in Glien zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle.

Gedenkanlage Glien



Einbettung am 4.10.2013 in Glien

Zum zweiten Mal kamen wir (7 Personen) nach Glien kaum ein paar Tage später am 04.10.2013 zur Einbettung der 2013 gefundenen Kriegstoten aus Hinterpommern und Westpreußen. 1160 Sarkophage standen in Reih und Glied, jeder mit einem Tannenzweig geschmückt. Obwohl das für uns nicht die erste Einbettung war, zu der wir kamen, bewegte uns dieses Bild sehr: so viele diesmal. 1160 plötzlich unterbrochene Schicksale, 1160 betroffene Familien. Kleine Sarkophage und deren große Zahl. Wie schrecklich passt das zusammen!

Einbettung Glien 2013

Als die Zeremonie vom Sedina-Chor und der Singgruppe der Pommerschen Landsmannschaft aus Pasewalk mit dem „Pommernlied“ eingeleitet wurde, hatte so mancher der über 120 Besucher Tränen in den Augen. In seiner Ansprache informierte Karsten Richter, Landesgeschäftsführer des VDK Mecklenburg-Vorpommern über die Fundorte der an diesem Tage zu Grabe getragenen Toten und die Arbeit des Volksbundes in Polen. Oberst Johannes Derichs, Stellvertreter des Kommandeurs der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ wies in seiner Rede vor dem offenen Grabfeld auf die Unbarmherzigkeit des Krieges, die Schuldige und Unschuldige, Soldaten und Zivilisten, Frauen und Kinder tödlich berührt hat, hin. Für die geistliche Besinnung sorgte wie immer Pastor Bernhard Riedel aus Penkun, der den Friedhof und dessen Tote in sein Herz geschlossen hat und als ständiger geistlicher Betreuer bezeichnet werden darf. Auch diesmal war Gott uns gnädig und schenkte uns während der Zeremonie, die etwa eine Stunde dauerte, ein schönes, sonniges Wetter mit einem wolkenlosen Himmel – danach gab es noch eine Möglichkeit, sich  mit Bekannten zu unterhalten, bevor sich jeder, auch wir, auf den Heimweg machte.

Einbettung Glien 2013



Tag der deutschen Einheit

Als wir uns dann später  in unserer Geschäftsstelle trafen, veranstalteten wir planmäßig die traditionelle Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit. Sie verlief gewiss feierlich, aber angesichts der vorangegangenen  Einbettung viel ernster als in früheren Jahren. Der unbestreitbare Zusammenhang von unmittelbaren (wie gesagt, wir kamen gerade vom deutschen Soldatenfriedhof zurück) und späten Kriegsfolgen (Mauerbau und Mauerfall) schlug uns aufs Gemüt und drückte etwas die an sich doch feierliche Stimmung. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere heutige Freiheit sehr teuer erkauft worden ist – im Krieg und in der Nachkriegszeit.

Deutsche Einheit 2013



Volkstrauertag am 17.11. 2013 in Glien

Zum dritten Mal fuhren wir am 16.11.2013 nach Glien. Da das Interesse wie immer groß war und sich erfreulich viele Mitglieder gemeldet hatten, musste eine Fahrgemeinschaft für 9 Personen (3 Pkws) gebildet werden. Das Wetter war diesmal nicht mehr sonnig, und der bleierne Himmel hing schwer über unseren Köpfen. Aber der Anlass für unsere Fahrt war der Volkstrauertag – ein Gedenktag, der eine traurige Botschaft in sich trägt.  Zur Erinnerung: Der Volkstrauertag auf dem dortigen Friedhof wird immer am Vortag der Feierlichkeiten, die  in der Bundesrepublik stattfinden, begangen. Kurz vor 11 Uhr in Glien angekommen, fanden wir nur noch mit großer Mühe einen freien Parkplatz (der war mit 22 Pkws und einem Bus völlig ausgelastet). Einer der Kollegen musste improvisieren, was schlimme Folgen hatte. Darüber aber später. Wir haben über 80 Gäste aus Deutschland und Polen gezählt: Familienangehörige, Mitarbeiter des Heimatkreises Greifenhagen, Vertreter der PLM aus Eberswalde und Pasewalk, Generalkonsulin  aus Danzig, ein Mitglied des Bundestages, zahlreiche Geistliche, Vertreter der Stadtverwaltung Stettin und Pasewalk, der Bürgermeister der Partnergemeinde Löcknitz, die Bundeswehr und die Vertreter des Multinationalen Corps Nordost Stettin, eine Abordnung vom Polizeipräsidium Neubrandenburg und außer unserer neunköpfigen Abordnung auch zahlreiche Vertreter einer anderen Ortsgruppe der deutschen Minderheit aus dem weit entfernten pommerschen Stolp, die die Strapazen der langen Fahrt auf sich genommen hatten, um der Kriegstoten zu gedenken. Es ist nur zu bedauern, dass die Vertreter der deutschen Minderheit aus Stettin schon wieder fehlten. 

Volkstrauertag Glien 2013

Nach einer kurzen Einführung durch den Kreisvorsitzenden Uecker-Randow des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Herrn Siegfried Wack hielt Matthias Lietz (MdB) die Festrede, in der er die zukunftsweisende Bestandteile der Jugendarbeit hervorhob. Danach ergriff Pastor Bernhard Riedel  das Wort und betete für die Ruhe für die in Glien begrabenen Toten und um den Frieden für uns Lebende. Im Anschluss daran verlas Kreisgeschäftsführer Uecker-Randow des Volksbundes Herr Joachim Bethke die Worte des Totengedenkens vom Bundespräsidenten Joachim Gauck. Das Ganze wurde musikalisch durch den Sedina-Chor aus Stettin unter der Leitung von Frau Brigitte Kipper umrahmt. Während der Militärtrompeter Andreas Walendy aus Neubrandenburg das Lied „Ich hatte einen Kameraden“ spielte, wurden Kränze und Blumen zum Hochkreuz getragen. Auch unser blau-weißer Kranz durfte nicht fehlen und wurde von dem Vorsitzenden Herrn Daniel Buda, der Schatzmeisterin Frau Halina Sobczak und Herrn Erhard Grünbauer niedergelegt.

Nachdem der offizielle, etwa einstündige Teil zu Ende gegangen war, lud die Bundeswehr alle Gäste zu vorsorglich mitgebrachtem warmen Tee und Glühwein ein. Das war bestimmt eine gute Idee, denn dieser Samstag war schon winterlich angehaucht: Die Temperaturen lagen bei 0 Grad. Dabei bot sich noch eine Möglichkeit, interessante Gespräche zu führen und Erfahrungen mit der Ortsgruppe aus Stolp auszutauschen. Wir unterhielten uns auch mit dem Pastor Riedel, der sein Kommen zu unserem Weihnachtsfest im Dezember zusagte.

Volkstrauertag Glien 2013

Als wir uns dann auf den Heimweg machen wollten, kam es zu einer kleinen Katastrophe, mit der keiner gerechnet hatte. Zwei unserer Autos standen abfahrtbereit auf der Straße, als der Kollege, der bei der Parkplatzsuche improvisieren musste und seinen sommerbereiften Wagen auf einer nassen Wiese abgestellt hatte, den Motor anließ  und versuchte loszufahren. Aber vergeblich! Die Räder drehten durch, der Motor heulte, der Wagen aber bewegte sich kaum. Es wurde immer schlimmer - letzten Endes saß das Auto fest auf dem Boden und die Sache sah recht aussichtslos aus. Auch ein Audi kann sich festfahren, wenn er falsche Reifen hat. Eine bittere Erfahrung für den Fahrer, dem nun geholfen werden musste. Was nun also? Zum Glück brauchten wir keinen Bauern mit dem Trecker zu holen, weil vier junge Bundeswehrsoldaten sich spontan bereit erklärten, dem Kollegen aus der Patsche zu helfen. Und tatsächlich: Nach ein paar Versuchen konnte das Auto befreit werden, und unsere kleine Autokolonne setzte sich in Bewegung Richtung Stargard. An dieser Stelle danken wir den hilfsbereiten Soldaten für ihre Hilfe. Wir werden Euch in guter Erinnerung behalten, selbst wenn wir eure Namen nicht kennen!    

Volkstrauertag Glien 2013 

Gegen 14 Uhr kamen wir dann heil und reicher an neuen Erfahrungen  nach Stargard zurück. Mit der Fahrt zur Gedenkstunde in Glien war es dem Vorstand unserer Ortsgruppe gelungen, die Mitglieder als Nachkriegsgeneration anzusprechen und ihnen die Möglichkeit zu geben, an einer tiefsinnigen, würdigen und bewegenden Veranstaltung teilzunehmen. Dabei ist festzustellen, dass die Ortsgruppe aus Stolp und unsere Ortsgruppe die einzigen aus der Region sind, die die Deutsche Kriegsgräberstätte in Glien regelmäßig und aus innerem Bedürfnis besuchen.

Piotr Nycz

pnw1965@gmail.com

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