Von Friedrich dem Großen bis Napoleon

Joachim Stampa
Stargard in Pommern - Schicksale einer deutschen Stadt

Mit besonderer Fürsorge nahm sich der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. des neu gewonnenen Teils von Pommern, besonders Stettin's und der Odermündungen an, denn er wollte diesen Zugang zum Meer wirtschaftlich ausnutzen. Dass um der Genesung Stettin's und um der preußischen Wirtschafts- und Militärpolitik willen der Fortschritt in Stargard zerschlagen wurde, wurmt nur den Stargarder selbst. Vom Standpunkt der Krone aus war das gar nicht zu umgehen, und der Gemeinde Stargard wurde .auf andere Weise geholfen. Die Garnison wurde verstärkt, und die umfangreichen Lieferungen für die Truppe ließen wenigstens bei einigen Ständen die Sorgen abflauen.

Seit dem Dreißigjährigen Kriege hatte sich endlich auch die Landwirtschaft im Hinterlande Stargard's erholt, und die Stadt konnte allmählich wieder geschäftlicher Mittelpunkt des großen Pyritzer und Saatziger Gebietes werden. War die Zeit auch schwer, so ging es doch wieder ein ganz klein wenig besser, und als Friedrich Wilhelm I. starb und die Regierung auf Friedrich II. vererbte, hatte Stargard schon wieder fünfeinhalbtausend Einwohner. Das war zwar erst ein knappes Drittel der Zahl von 1618, aber es waren doch schon wieder zehnmal so viele Menschen wie vor zwanzig Jahren.

Friedrich der Gro�e 1763

Friedrich der Große 1763

Friedrich, der einzige wirklich große Hohenzollernfürst setzte alles daran, dem Königreich eine feste wirtschaftliche Grundlage zu geben. Nicht nur in Brandenburg und Preußen richtete er nach gänzlich neuen Gesichtspunkten landwirtschaftliche Behörden ein, sondern er schuf gerade in Hinterpommern durch ausgedehnte Kulturarbeiten so viel Neuland, dass über hundertfünfzig neue Dörfer und Kolonien entstanden. Durch Entwässerung von Mooren und nassen Wiesen, durch Ablassen von Seen ließ er bestehende Ortschaften gesunden und zog aus allen Richtungen neue Siedler in dies Land, vornehmlich solche, die der Gegenreformation auszuweichen trachteten. Planmäßig hob Friedrich die landwirtschaftliche Erzeugung, sorgte für intensive Viehzucht und befahl allenthalben den Anbau der Kartoffel, der Lupine und des Hopfens. Persönlich kümmerte er sich überall um die Erfüllung dieser Anordnungen. Manch Säumiger hat dabei nicht allein den Zorn des Herrschers, sondern vielleicht auch den Krückstock zu spüren bekommen. Auf den königlichen Staatsgütern, den Domänen, beseitigte er die Leibeigenschaft der Bauern. Leider folgte der Landadel nicht seinem Beispiel, weil dieser Stand fürchtete, dann nicht mehr wirtschaftlich arbeiten zu können.

Wo sich irgend Möglichkeiten zeigten, unterstützte er durch Anleihen und Vorschüsse die Gründung von Fabriken. Handel und Gewerbe zogen besonders in Stettin große Vorteile aus der Vertiefung des Wasserlaufs der Swine, durch die Errichtung von Werften, die Erweiterung des Stettiner Hafens und die Gründung von Swinemünde. Weiterhin wurde die Staatsverwaltung wesentlich verbessert. Der Stand der Berufsbeamten war schon von Friedrich Wilhelm I. begründet worden. Ihn sicherte er und schuf viele neue Beamtenstellen, denn diese Staatsdiener sorgten von Amts wegen für die strikte Durchführung seiner Befehle. Zwar regierte Friedrich als absoluter Fürst, aber er nahm sich tüchtige Mitarbeiter aus dem Adel und richtete sich auch nach ihren Vorschlägen.

Der Unterschied im Leben und Aufschwung zwischen dem schwedisch gebliebenen Vorpommern und dem preußischen Mittel- und Hinterpommern wurde immer augenfälliger, denn die Schweden taten nichts für ihren festländischen Besitz, überließen vielmehr das Land sich selbst und sorgten nur für die Beachtung der Landesgrenzen und die Ablieferung der Steuern. Damals brach über Stralsund und Greifswald, die beide einigermaßen glimpflich im Dreißigjährigen Kriege davongekommen waren, die Notzeit herein, die unter Friedrich's Regierungskunst im übrigen Pommern zu schwinden begann.

Der König hatte auch die Rechtspflege umgestaltet. Während die Hansestadt selbständig die Hand- und Halsgerichtsbarkeit besessen hatte und der Rat die oberste Justizbehörde gewesen war, übte der Bürgermeister im Namen des Königs die Rechtsprechung aus, und es gab in der Person des Königs eine Berufungsinstanz, die vor allem bei Kapitalverbrechen automatisch angerufen wurde. Während früher der Rat einen Verbrecher zum Tode verurteilen und hinrichten lassen konnte, musste jetzt jedes Todesurteil durch den König eigenhändig bestätigt werden. Das alte Stargard besaß im Pyritzer Tor eine Zelle für Schwerverbrecher. Gemeiniglich wurden aber Übeltäter in den Blockhausturm oder in den Toltz gesperrt. Der Toltz lag beim Gefangenenturm in der Südmauer an der Ihna und war mit Zellen und allen peinlichen Vorrichtungen ausgerüstet.

Friedrich verbot die Folter und führte neue Strafen ein, darunter die Freiheitsstrafen, für die ein richtiges Gefängnis gebraucht wurde, das seinen Anschauungen von Menschenwürde entsprach. Dazu scheint den Ratsherren in Stargard das alte Zeughaus gelegen gekommen zu sein. Die Zeiten, in denen Waffen und Munition darin verwahrt werden mussten, waren vorbei. Der König hatte dazu neue Magazine gebaut. Nun konnte aus dem Zeughaus ein Gefängnis werden. Die Gewölbe wurden kurzerhand entfernt und zweigeschossig Gefangenenzellen in den Waffenkammern eingerichtet. Das war eine erhebliche Degradierung, und die alten Mauern werden sich gefreut haben, als der Gefangenen mehr wurden, als Zellen da waren. Da musste das Gefängnis verlegt werden, und ein anderer Wehrbau wurde dazu hergerichtet, das innere Johannistor, das im Zuge der Stadtmauer lag. Dies wurde zum Gefängnis, Zucht- und Spinnhaus.

Die Befestigungen hatten sich in Stargard überlebt, allerdings hatte noch der Soldatenkönig die Stadt Stettin zu einer außerordentlich starken Festung ausgebaut, wovon noch zwei Prunktore, das Königstor und das Berliner Tor, stehen. Aber Stargard war nicht mehr so bedeutend, dass sich derartige Ausgaben gelohnt hätten. Stettin entwickelte sich zur großen Stadt, Stargard dagegen war zur Kleinstadt geworden.

Vor den Toren wuchsen auf den Festungswällen Bäume. Wo einst Palisadenzäune gestanden hatten, führten Spazierwege entlang, und in den zugeschütteten Wassergräben gediehen prächtig Obstbäume und Gemüse. Die Zeit des ruhigen Bürgers kündigte sich an. Trotzdem fehlte es auch während der Regierungszeit dieses tüchtigen Herrschers nicht an Krieg und Drangsal. Friedrich hatte viele Feinde im Siebenjährigen Krieg, und er konnte mit seinem kleinen und doch recht unbeweglichen Heer nur einen nach dem anderen vertreiben. So musste er tatenlos zusehen, als die Russen in Preußen und Pommern einfielen und das Land besetzten. Stargard wurde damals zum erstenmal von diesem Volk heimgesucht. Drei Jahre lang blieben sie in der Stadt. Der deutschblütige Kommandeur konnte allerdings leidliche Manneszucht unter seinen Truppen halten und schlimmere Übergriffe verhindern. 1760 zogen die Russen wieder ab, und die Stargarder atmeten auf. In die geräumten Quartiere zogen nach dem Frieden von Hubertusburg 1763 die siegreichen preußischen Truppen wieder ein. Friedrich stand auf dem Gipfel seiner Macht, und die Liebe seiner Untertanen konnte gar nicht größer werden.

Die Garnison von Stargard wurde zusammen mit den übrigen pommerschen Regimentern alljährlich vom König persönlich revidiert. Gerade Stargard hatte der Alte Fritz für diese Revuen ausersehen. Immer wieder biwakierten Husaren, Dragoner, Ulanen, Kürassiere, Grenadiere und Jäger auf den weiten, abgeernteten ebenen Feldern gegen Pyritz hin oder im anderen Jahr vor Buchholz und Saarow. Jahr für Jahr traf der König mit seinen Generälen ein und wohnte abwechselnd in dem Erbkrug bei der Heilig-Geist-Kirche oder in Madewigs Krug am Schweinemarkt vor dem Walltor. Diese Besuche stärkten das Selbstbewusstsein der Stargarder mächtig, und die erst seit wenigen Generationen vorhandene Bindung an Potsdam erschien allen als selbstverständlich. Niemand dachte mehr an das unglückselige Herzogtum Pommern.

Eine Reihe wertvoller Landeskulturarbeiten ließ Friedrich auch in der Gegend von Stargard durch seine Landbaumeister ausführen. Der Spiegel des nahen Madüsees wurde durch Begradigung der Plöne um mehrere Meter tiefer gelegt. Dadurch fielen große Flächen guten Ackerlandes trocken und konnten an neue Bauernstellen in neuen Dörfern vergeben werden. Mit fünf weiteren Gemeinden wuchsen hier Moritzfelde, so genannt nach dem Stargarder Kommandeur Prinz Moritz von Anhalt-Dessau, und Brenkenhofswalde, das nach dem Finanzrat B.von Brenkenhof seinen Namen bekam, auf dem ehemaligen Seeboden. Viele andere Ortsnamen um Stargard sind gleichen Ursprungs, beispielsweise Augustwalde, Gräbnitzfelde und Konstantinopel.

Verlegung der Ihna

Die Ihna wurde auch vorgenommen. Aus den östlich der Stadt gelegenen sauren Wiesen wurde das Wasser durch ein weites System von Abzugsgräben in die Ihna geleitet, ein Wiesenwärterhaus gebaut und die Wiesen vor Zartzig durch den Brenkenhofskanal in die "Ravensburg" entwässert. Zwar gelang es nicht, die Ihnawiesen völlig trocken zu bekommen, aber der Ertrag der gewaltigen Fläche stieg erheblich, da nur noch ein Bruchteil von ihr nass blieb.

Seit Jahrhunderten war der Außenarm der Ihna im Osten etwa hundert Meter unterhalb der Gabelung aufgestaut worden, damit die Mühle im Stadtarm genügend Wasser auch in den trockenen Sommermonaten bekäme. Dieses Stauwehr, die Schlachte, führte zu dauernden Ärgernissen. Bei plötzlichem Hochwasser stand regelmäßig die Unterstadt im Wasser, und die Bittgesuche um Abhilfe rissen nicht ab. Da verfügte Friedrich 1770, dass die königliche Stadtmühle um dreihundert Meter flussabwärts verlegt werden sollte, also aus der schützenden Stadtmauer hinaus an die Stelle, wo sich die beiden Ihnaarme wieder vereinigt hatten. Gleichzeitig ließ der König seine Mühle erheblich erweitern. Die winzige Insel im Stadtarm an der Kleinen Mühlenstraße, der östlichen Abzweigung der Großen Mühlenstraße, auf welcher die Mühle bisher gestanden hatte, wurde durch Zuschütten des einen, schmaleren Wasserlaufs zum rechten Ufer hinzugeschlagen, die Brücke ebenfalls aufgehoben und unmittelbar vor der Straße Großer Wall eine neue auf doppelt gewölbtem Bogen gebaut, die „Fischerbrücke".

Da jetzt die Mühle außerhalb der Stadtmauer stand, musste der Müller mit seinen schweren Sackwagen durch den Höllengrund bergauf zum Johannistor fahren und konnte erst hier in die Stadt gelangen. Das war sehr beschwerlich und zeitraubend. Ebenso umständlich war es auch für die Ackerbürger, die zur Mühle wollten. Der Müller kam darum beim König um die Erlaubnis ein, in die Stadtmauer neben der Marktmeisterei eine Durchfahrt brechen zu dürfen. Das Gesuch wurde genehmigt, doch bestimmte Friedrich, dass der Durchbruch mit einem starken Holztor sofort nach jeder Benutzung wieder zu verschließen sei. Dieser Weg an dem Mühlenteich entlang gehörte der Mühle bis zuletzt. Noch in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts durfte dort niemand fahren, reiten, Vieh treiben, nur für Fußgänger war der Weg erlaubt. Die Stadtmauer hat ihren Zweck noch nach 1870 erfüllen müssen, darum blieb auch das Mauerloch neben der Marktmeisterei stets durch die starke Tür verschlossen.

Die neue Lücke in der Mauer wurde allgemein das "Mühlentor" genannt. Und da die Menschen auch damals schon ungern nachdachten, bekam in kurzer Zeit die alte Marktmeisterei, das Stargarder Wassertor, den Namen des Mauerdurchbruchs. Seitdem heißt das Wahrzeichen Stargard's, das immer im Stadtwappen seinen Platz hatte, nur noch das Mühlentor, und der alte Name ist vergessen.

Die Stadtmühle nahm jetzt, da sie leichter von allen Seiten zu erreichen war, einen bedeutenden Aufschwung. Obendrein bekam sie die modernsten Maschinen, die nur irgend aufzutreiben waren. Der Ruf vom guten Stargarder Mehl ging weithin durch das Land. Die Bauern und der Adel der Umgebung lieferten gern, da die Mühle wegen des regen Umsatzes prompt und gut zahlen konnte.

Die Verlegung der Mühle war vorwiegend einem wirtschaftlichen Bedürfnis entsprungen. Die kleine Insel im Stadtarm hatte eine Ausdehnung des Betriebes verhindert. Auch am neuen Platz konnte man auf die Dauer mit Wasserantrieb allein nicht auskommen trotz des Einbaues von leistungsfähigen Turbinen. Darum wurde im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts verhältnismäßig früh zusätzlich ein Dampfkessel aufgestellt. Das war nichts Ungewöhnliches mehr, nachdem die benachbarte Freienwalder Mühle schon bald nach der Franzosenzeit den ersten Dampfkessel Pommerns aufstellte und den Betrieb ganz erheblich erweitern konnte. Dadurch wurde die Rentabilität des Unternehmens ganz bedeutend günstiger, und nach und nach wurde die Stargarder Große Mühle der Firma Gustav Karow der größte pommersche Mühlenbetrieb.

Verlegung der Ihna

Mit der Verlegung der Mühle aus der Stadt waren die Pläne, die Friedrich's Landbaumeister mit dem Stargarder Gebiet verbanden, noch nicht verwirklicht. Die Ihna sollte unterhalb der Stadt anders geleitet werden, um das Wasser aus den weiten Niederungen oberhalb der Stadt rascher fortführen zu können. Bisher hatte der Fluss beim Weißkopf eine rechtwinklige Linkskurve gemacht und war beim Mühlentor im gleichen Winkel wieder nach rechts geschwenkt. Hier wurde der Lauf begradigt. Vom Mühlentor aus wurde hinter der Klappholzgasse am Beginn der Rechtsschleife ein neues Bett gegraben, welches geradeaus lief und die große Biegung abschnitt, aber nach sechshundert Metern wieder auf den alten Lauf traf. In ähnlicher Weise wurde auch vom Weißkopf aus ein Durchstich über den Platz zwischen den beiden Schifferstraßen geführt, wo ehemals die Werften für die Ihnakähne gelegen hatten Dieser Graben traf nach siebenhundert Metern auf die genannte Schleife und leitete dort das Wasser in das alte Bett. Die ausgehobenen Bodenmengen wurden zum Teil in die jetzt totliegenden Läufe vom Weißkopf bis zum Mühlentor und in die Schleife nördlich der Klappholzgasse gekarrt, zum anderen Teil am Rande des neuen Betts aufgehäuft oder planiert. Die toten Flussenden waren an beiden Stirnseiten abgedämmt und verlandeten ziemlich rasch. Auf den beiden Totstrecken stand jedoch alljährlich reichlich Wasser, sehr zum Vergnügen der Stargarder Jugend, die sowohl im Laurinschen Garten wie auch auf den Wiesen an der Klappholzgasse herrliche Eislaufgelegenheit fand. Manchmal gab es dabei sogar Unterhaltungskonzert der Regimentsmusik, und beim Abenddämmern wurden Lampions zur Beleuchtung aufgehängt.

Durch diese Änderung im Flusslauf der Ihna wurde der  Zweck, rascheren Ablauf des Wassers aus den nassen Wiesenwehr zu erzielen, vollauf erreicht. Nun floss die Ihna sowohl im Stadtarm wie auch außen bis weit unterhalb der bewohnten Stadt geradeaus und konnte wohl aller Wassermassen Herr werden. Die Schlachte, das Stauwehr im Außenarm, wurde selbstverständlich beibehalten, weil sonst das meiste Wasser geradeaus, also außen um die Stadt, und nicht durch die Mühle geflossen wäre.

Außer für seine Mühle und das Mahlen des Getreides der Umgegend sorgte der König noch in anderer Weise für die bodenständige Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse der Rittergüter. In der nach ihm benannten Friedrichstraße ließ er lange Reihen von einfachen, kleinen Häusern bauen, in welche Witwen und unverheiratete Frauen einziehen konnten, welche Flachs und Wolle zu Garn spinnen sollten. Die Weber, deren es in Stargard viele gab, woben daraus Stoffe aller Art, auch gutes Tuch, bei Hausfrauen in und um Stargard stets begehrte Ware. Eine andere Art der Altersfürsorge kannte ,,man" damals nicht, und die Armenpflege war stets auf das Nützliche ausgerichtet.

Zum Chef des Stargarder Regiments bestimmte der große König bereits sieben Jahre nach seiner Thronbesteigung den Prinzen Moritz von Anhalt-Dessau. Neben seiner Tätigkeit als Kommandeur übte dieser auch eine Aufsicht im Namen des Königs über die in der ganzen Provinz vorgenommenen Meliorationen aus. Als der Prinz nach Stargard ziehen sollte, ergab sich eine Schwierigkeit, denn die Stadt konnte kein Palais anbieten, das allein als Wohnsitz hätte dienen können. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, ließ sich Prinz Moritz in der Königstraße (damals Wollweberstraße) zwei Wohnhäuser bauen. Das Kommandanturgebäude überrascht durch seine Einfachheit. Je zwei Fensterbreiten der fünffach geteilten Fassade sprangen im Erdgeschoss jeweils um einige Zentimeter zur Straße vor, und die breite Doppeltür im Hochparterre war nur durch ein paar Treppenstufen betont. Die Wandputzflächen waren, nach außen hin einfacher werdend, in Linien- und Formenputz kunstvoll aufgeteilt - geschmackvolle Handwerkerarbeit! Wer durch die Tür eintrat, fand sich in einer mächtigen ziegelgepflasterten Diele, auf der beiderseits die Türen zu den Räumen der Kommandantur und über eine wundervolle Holztreppe zu den oben gelegenen Zimmern des Prinzen führten. Prinz Moritz war bis 1760 in Stargard tätig, dann wurde er abgelöst.


Ähnlich diesem Hause in der Königstraße wurde auch auf dem Großen Wall ein erfreulich schönes Gebäude errichtet, das Gasthaus „zur Krone". Die besonders reich geschnitzte Tür zeigte die Jahreszahl 1775 und darüber im Oberlicht eine Krone. Die Fassade war der in der Königstraße sehr ähnlich gearbeitet. Das Haus wurde später unter Denkmalsschutz gestellt, sonderbarerweise aber nicht das Kommandanturgebäude in der Königstraße. Wie es sich für eine friderizianische Garnison gehört, wurde auch in Stargard mitten in der Stadt ein Wachtlokal gebraucht, wo die Garnisonsschreibstube war, eine Wache aufzog und ein „Posten vor Gewehr" stand. Noch immer lagen die Soldaten in Bürgerquartieren überall in der Stadt, denn von Kasernen kannte man im damaligen Stargard noch nichts.

Wo hätte in Stargard diese Wache anders stehen sollen, wenn nicht auf dem Marktplatz! Neben dem Rathaus! In den achtziger Jahren, also noch zu Lebzeiten Friedrich's des Großen, entstand hier die neue Hauptwache mit den Lauben im Erdgeschoss und dem langen Balkon darüber , der Wachtstube für die Mannschaften unten und der Garnison-Schreibstube und dem Zimmer für den Offizier vorn Dienst im Obergeschoss. Der überdachte Balkon schloss mit einem schmiedeeisernen Gitter ab, das in jedem Felde den Königsadler trug. Immer  wieder haben Offiziere, Ratsherren und andere mehr oder weniger erlauchte Persönlichkeiten von dort oben zur Stargarder Bevölkerung gesprochen.

Alte Wache

Alte Wache - Bild von B.TH. Dietrich-Dirschau

Der kleine, freundliche Bau mit dem hübschen Walmdach schloss eine Lücke zwischen dem Rathaus und zwei Giebelhäusern neben der Marienkirche und teilte den rechteckigen Marktplatz in zwei ungleiche Teile, den eigentlichen Markt, der nahezu quadratisch war, und den kleineren, rechteckigen und leicht abschüssigen Fleischmarkt. Jetzt hatte Stargard endlich eine geschlossene Schauwand am Markt, nördlich begrenzt von dem prachtvollen Maßwerkgiebel des Rathauses und südlich von der himmelragenden Marienkirche.

In diesen Jahren war David Gilly als königlicher Landbaumeister in Stargard tätig. In Altdamm, von wo er hierher versetzt war, wurde ihm sein Sohn Friedrich Gilly geboren, der später ein bedeutender Baumeister und Schinkels Lehrer wurde. Dieser Sohn hat aus seinen Jugendjahren ein Zeichenblatt hinterlassen, das uns einen Blick in das Stargarder Rathaus dieser Zeit tun lässt. Es zeigt eine weite Halle, deren Decke von zwei dicken, schräg kanelierten und zwei dünnen, glatten Säulen getragen wird. Seitlich führt eine breite, gewinkelte Treppe ins Obergeschoss hinauf. Die Hilfslinien und der Fluchtpunkt lassen erkennen, dass der Junge, er kann nicht älter als sechzehn Jahre gewesen sein, an diesem Motiv perspektivische Studien trieb. Er hat neben dem Ausgang zur Großen Mühlenstraße gestanden. Die Türen rechts führten möglicherweise unmittelbar ins Freie. Später, als das Rathaus auch äußerlich verändert wurde, ist durch die Halle von Giebel zu Giebel ein durchgehender Korridor gezogen, und zu beiden Seiten waren Zimmer für die verschiedenen städtischen Dienststellen eingerichtet. Die vorderste der vier Säulen dieser Zeichnung war noch 1945 in der Ecke des ersten Dienstzimmers teilweise erkennbar.Damals war hier das Rechnungsprüfungsamt untergebracht. Die schrägen Rillen der Säule waren etwa acht Zentimeter breit und nur flach ausgekehlt. Die zweite dicke Säule verschwand beim Umbau der Stadthauptkasse. Die Alte Wache scheint in David Gillys Stargarder Dienstzeit gebaut worden zu sein. Auch an anderen Häusern glaubten Experten die Hand Gillys zu erkennen.

Rathaus

Rathaus - Innenansicht nach Friedrich Gilly

Als der Große König 1786 die Augen schloss, war Stargard wieder auf dem Wege der Erholung. Es war zwar eine Kleinstadt geblieben, aber mit solidem Fundament, eine Soldaten- und Landstadt. Das achtzehnte Jahrhundert verabschiedete sich mit großen Ereignissen, an Ausmaß, Bedeutung und Nachfolge nicht fassbar. Die Franzosen hatten eine Revolution gemacht, ihr Königspaar geköpft und dann mit der eben gewonnenen Freiheit nichts Besseres anzufangen gewusst, als sie einem anderen Einzelherrscher zu überantworten. Der Name Napoleon Bonaparte wurde genannt.

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