Der Theologieprofessor Jakob Runge aus Stargard,
einer der großen Reformatoren in Pommern.

Prof. Joachim Buhrow
Greifswald
Stargarder Jahresblatt 2005

Der Große und tiefgreifende gesellschaftliche Umbruch zu Beginn des 16. Jahrhunderts, den Martin Luther durch seine 95 Thesen zur Reformation der alten christlichen Kirche in der Universitätsstadt Wittenberg an der Elbe ausgelöst hatte, erfasste dank der Erfindung des Buchdrucks von Gutenberg in sehr kurzer Zeit viele Regionen des deutschen Kaiserreiches und der Nachbarländer im Norden. Natürlich machten die aufrüttelnden Schriften und Flugblätter von Luther an den Grenzen Pommerns nicht halt.

Die Universität in Wittenberg hatte in jenen Jahren sofort einen großen Zulauf an Studenten, darunter waren nachweislich nicht wenige aus Pommern, obwohl ja Pommern in Greifswald seit 1456 eine eigene Universität besaß.

Besonders in den Pommerschen Städten breitete sich die neue Lehre von Martin Luther schnell und nachhaltig aus. Die Anhänger der neuen Religionsauffassung wurden damals oft abschätzig „Martiner" genannt. Vor allem drei hervorragenden und mutigen jungen Theologen verdanken wir in Pommern die schnelle und gründliche Durchsetzung der neuen Lehre:

Johannes Bugenhagen aus Treptow an der Rega,
Johannes Knipstrow aus dem Franziskaner-Kloster in Pyritz und
Jakob Runge aus Stargard.

Johannes Bugenhagen mit Luthers Ehrentitel „Doktor Pomeranus", der auf dem Landtag 1534 in Treptow mit den Pommernherzögen für ganz Pommern die Reformation durchsetzte und die neue Kirchenordnung von 1535 verfasste, kam aus dem Kloster Belbuck bei Treptow, wo er die Klosterschule leitete und die Mönche mit den Gedanken von Luther bekannt machte. Bereits 1521 ging er nach Wittenberg, wurde Schüler und Freund von Luther und Professor. Der erfolgreiche Prediger Johannes Knipstrow, der u.a. in Pyritz, Stettin, Stralsund und Greifswald die Reformation durchsetzte und Bugenhagen sind in der Geschichte Pommerns weithin gut bekannt. Dagegen ist die Kenntnis über die hervorragende Leistung und das Lebenswerk zur Sicherung der Reformation in Pommern von Jakob Runge weniger verbreitet. Um dem abzuhelfen, soll dieser Aufsatz einen kleinen Beitrag leisten:

In allen Ämtern der evangelischen Kirche war Runge der Nachfolger von Knipstrow, dem er auf dem Sterbebett versprach, sein Amt zur Sicherung und Festigung des neuen Glaubens in Pommern niemals aufzugeben. Daher sollen hier kurz die Lebensdaten von Johannes Knipstrow folgen: Geboren am 1. Mai 1497 in Sandow bei Havelberg, wurde er früh Franziskanermönch in Schlesien. 1518 schickte ihn sein Abt auf die neue Universität Frankfurt an der Oder. Dort trat er mutig in einer öffentlichen Disputation vor 300 Mönchen gegen den Ablassprediger Johannes Tetzel auf und verteidigte erfolgreich Luthers Thesen gegen den Ablass. Die Folge war seine Strafversetzung 1518 nach Pyritz ins Kloster mit stiller Hoffnung, dass er dort nichts mehr von Luther hören würde, es war ein Irrtum! Er konnte die Mönche für Luthers Lehre gewinnen und musste in der Stadt Pyritz erste evangelische Predigten halten. Damit war Pyritz eine der ersten Städte Pommerns mit evangelischem Gottesdienst. Aber schon 1523 musste er aus der Stadt nach Stettin fliehen, weil ihm die Verhaftung durch den Klostervorstand drohte. Schon 1524 wurde er nach Stargard gerufen, um dort zu predigen, wieder musste er fliehen, diesmal nach Stralsund, wo er mehr Erfolg hatte. Dort wurde er 1525 Superintendent und führte auch in Greifswald 1531 den neuen Glauben ein. Mehr noch: Nach dem Landtag in Treptow und Bugenhagens Kirchenvisitationen 1535 wurde er Generalsuperintendent für das Herzogtum Wolgast. An der Neugründung der Greifswalder Universität hat er zusammen mit Bugenhagen maßgeblich mitgewirkt und wurde dort nach der Wiedereröffnung Professor der Theologie. Am 4. Oktober 1556 starb er in Wolgast, ist dort bestattet und hinterließ ein umfangreiches Schrifttum zur Durchsetzung der neuen Lehre von Luther, also vor allem Streitschriften für den aktuellen Tageskampf um den neuen Glauben.

Jakob Runge, 10 Jahre nach Luthers Thesen zur Reformation am 15. Juni 1527 in Stargard geboren, lernte am neu gegründeten Pädagogium in Stettin, bevor er 1544 in Wittenberg Theologie studierte. Dort wurde er persönlich mit Martin Luther und Philipp Melanchthon bekannt, mit denen ihn eine lange Freundschaft verband. Auf des letzteren Empfehlung bekam er nach dem Staatsexamen 1547 eine Professur für Grammatik und Musik an der Artistenfakultät in Greifswald, und schon 1553 eine Professur für die neue evangelische Theologie, verbunden mit dem Pfarramt am Nikolai-Dom. In den fünfziger Jahren war die Existenz der Greifswalder Universität nach den tiefgreifenden Wirren der Reformation weitgehend gefestigt. Dazu hatten ja die führenden Reformatoren maßgeblich beigetragen.

Bereits um 1524 hörte, nach den zeitgenössischen Berichten, der geregelte Unterricht an der Universität weitgehend auf. Mehrere Professoren verließen die Stadt oder wandten sich anderen Tätigkeiten zu. Die Annalen dieser Jahre sind nicht mehr vorhanden, rausgeschnitten. In den Stadtkirchen wurden ohne großen Widerstand der alten Kleriker evangelische Predigten und Gottesdienste eingeführt, angeführt von Johannes Knipstrow aus Stralsund, der damit ab 1531 auch in Greifswald die Reformation endgültig sicherte. Gemeinsam mit Bugenhagen und dem Herzog Philpp I in Wolgast konnte er die Wiedererrichtung der Universität erreichen. In der Kirchenordnung von 1535, nach dem Landtag in Treptow von Bugenhagen verfasst, lesen wir die Forderung: „Eyne gude Universitet antorichten."

Die Absicht, in Stettin eine zweite Universität zu gründen, konnte nicht realisiert werden, dort kam es dann 1543 zur Einrichtung eines Pädagogiums mit dem Namen „Carolinum". Am 11.11.1539 erfolgte durch den Herzog die Neugründung, am 16. November traten 88 Studenten aus Pommern und den Nachbarländern ihr Studium in Greifswald an, darunter je 3 aus Stargard, Stolp und Pasewalk. Erst 1547 (!) promovierten mit großem Prunk Knipstrow am 8. und Runge am 9. Dez. mit dem Herzog als Ehrengast, damals war Knipstrow gerade Rektor der Universität. Nachfolger im Amt des Stadtsuperintendenten für Knipstrow wurde Runge 1553 und schon 1556 im Amt des Generalsuperintendenten nach dem Tod von Knipstrow. Auf Betreiben von Melanchthon, der zum Doktorexamen eingeladen war, sollte Runge nach dem Tode von Bugenhagen 1558 Professor in Wittenberg werden, er blieb jedoch, wie versprochen, in Pommern. Von der Zeit an trug Runge die Sorge um den Fortbestand der Universität und der reformierten Kirche ohne seine Mitstreiter. An der Universität war er wiederholt Rektor. Immer wieder setzte er sich bei beiden Herzögen in Wolgast und Stettin, denn Pommern war wieder geteilt, für die Verbesserung der Gehälter von Professoren und Pastoren ein. Nach einem großen Brand des Schlosses in Wolgast im Jahre 1557 setzte Herzog Philipp I Runge als Erzieher für seine drei Söhne ein, die dann als Studenten in Greifswald wohnten und studierten. Seit 1560, nach dem Tode des Herzogs, war Runge dann väterlicher Berater der jungen Herzöge. Unvergessen ist sein nachhaltiger Einsatz für einen Neubau der Universität, die ja kein eigenes Unterrichtsgebäude besaß. Der neue Herzog Ernst Ludwig in Wolgast hatte dafür einen Bauplan im Renaissancestil entworfen, der Bau begann 1591. Leider verstarb der Herzog schon ein Jahr später, so dass sich der Fortgang des Neubaus bis 1597 hinzog. Die Grabrede hielt in Wolgast Runge selbst, die Fortführung des Baus forderte neben anderen Pflichten alle seine Kräfte. Eine eigene Universitätsdruckerei, schon 1581 eingerichtet, ist ebenfalls sein Verdienst. Mit dem Fortbestand der Pommerschen Universität, die heute kurz vor ihrem 550. Geburtstag mit 8000 Studenten wie noch nie in der Geschichte wächst und gedeiht, war damals die Reformation in ganz Pommern gesichert, daran hat der große Reformator Jakob Runge aus Stargard einen erheblichen Anteil, der in unserer Zeit nicht vergessen werden sollte! Zu seinem Tode am 11. Januar 1595 schrieb der Rektor in den Universitäts-Annalen:

„Rungius optime de hac academia et ecclesiis totius patriae meritus",

deutsch: Runge hat große Verdienste um die Akademie und die pommersche Kirche. Mit seiner Ehefrau Anna Gerschow hatte er 4 Töchter und 5 Söhne, darunter waren Ärzte, Juristen und Professoren. Der älteste Sohn Friedrich (1559 - 1604) wurde Nachfolger im kirchlichen Amt seines Vaters, war jedoch von schwächlicher Gesundheit.

Es gab damals keine Anzeichen, dass die Universität nach der Wiedereröffnung 1539 eine Verengung ihrer geistigen Ambitionen auf die neue Theologie erfahren hat. Der aufstrebende Neuhumanismus, vor allem im Austausch mit Wittenberg, konnte sich auch in Greifswald entfalten. Melanchthons Lehrbücher und die griechischen und römischen Schriftsteller gehören zum Lehrprogramm der Artistenfakultät, wie ein altes Vorlesungsverzeichnis von 1571 ausweist. Mit Wittenberg gab es im 16. Jahrhundert einen regen Gelehrtenaustausch von rund 25 Professoren.

In der Aula der Universität hängen an der Frontseite große Porträts von Rubenow, Bugenhagen, Arndt und dem Baumeister der neuen Universität von 1750 Professor Andreas Mayer (1716 - 1782), der ebenfalls nach seinem Doktorexamen 1741 aus Wittenberg kam und hier 41 Jahre erfolgreich Mathematik, Physik und Astronomie lehrte.

Im Greifswalder Dom hängt ein Gemälde der ersten Professoren aus der Zeit vor der Gründung der Universität 1456, das der Gründer Heinrich Rubenovv (1400-1462) vor seiner Ermordung 1462 in Auftrag gab und außerdem ein Gemälde von Jakob Runge aus dem 16. Jahrhundert, der hier im Dom seine letzte Ruhestätte fand.

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