Der Schillsche Zug gegen Stargard

10.6.2009

Den vielen in der Pommerschen Zeitung erschienenen Berichten über Ferdinand von Schill aus Anlass seines 200. Todestages sei hier ein spezieller hinzugefügt, der sich auf Stargard bezieht. Dieser Artikel ist dem  "Sonderheft Stargard 1927" entnommen. Der Verfasser ist Dr. Ulrich Mampe. Der Artikel wurde nachgedruckt im Anhang des Buches von Joachim Stampa  „Stargard in Pommern, Schicksale einer deutschen Stadt“ von 1978. Auf dem Ausschnitt des Stadtplans von 1938 sind alle Örtlichkeiten dieses gescheiterten Überfalls nach zu vollziehen. Der neben der Kleinen Mühle eingezeichnete Mühlenteich existiert nicht mehr.

Am 31.Mai 1809 fand Ferdinand von Schill in der Fährstraße in Stralsund  im Kampfe gegen die mit Napoleon verbündeten Dänen und Holländer den Heldentod. Sein Ausmarsch aus Berlin, sein Zug durch Sachsen und Mecklenburg und der Untergang seines Freikorps in Stralsund sind weit und breit bekannt. Weniger bekannt ist dagegen die Tätigkeit, die der kühne Parteigänger im Jahre 1807 in Pommern entfaltete. Von seinen Streifzügen, die er damals vor der Einschließung Kolbergs durch die Franzosen im Camminer, Greifenberger, Naugarder und Saatziger Kreise unternahm, sei deshalb der wichtigste, der Zug gegen Stargard am 15. und 16. Februar 1807, der Gegenwart in Erinnerung gebracht.

Nach der unglücklichen Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt am 14. Oktober 1806 hatten die Reste des preußischen Heeres zum größten Teil auf der Flucht vor den nachdrängenden Franzosen die Waffen gestreckt. Nur Trümmer waren in die östlichen Provinzen, so auch nach Pommern gelangt und hatten hier die Besatzungen der Festungen verstärkt oder schweiften im Lande umher. Aus solchen Ranzonierten, wie man diese von Ihren Truppenteilen abgesprengten Soldaten nannte, bildete Schill, der bei Auerstädt verwundet worden war, sich aber aus der allgemeinen Auflösung über Magdeburg und Stettin nach Kolberg hatte retten können, seine Freischar und nahm mit ihr in der Gegend von Greifenberg Stellung, um von hier aus Kolberg zu decken und gleichzeitig die französischen Garnisonen in den umliegenden pommerschen Städten zu beunruhigen. In der Absicht, sich einen befestigten Stützpunkt für seine Streifzüge zu schaffen, war er am 14. Februar nach Naugard gerückt und hatte das östlich der Stadt in einem kleinen See gelegene Amt, ursprünglich ein Schloss des Grafen Eberstein, jetzt die Strafanstalt, befestigen lassen. Hier erfuhr er von Ranzonierten, die sich zum Eintritt in seine Schar bei ihm meldeten, sowie durch Kundschafter, dass Stargard von 600 ‑ 700 Franzosen besetzt sei. Sofort beschloss er, diese Truppen aufzuheben, sich Stargard zu bemächtigen und dadurch die Anmarschstraße der Franzosen auf die preußischen Festungen Kolberg und Danzig zu unterbrechen. Zu diesem Zweck brach er am 15. Februar abends 7 Uhr mit seiner Schar, nämlich einem Bataillon Infanterie in Stärke von etwa 800 Mann, von denen aber der größere Teil nur mit Piken und nur ein kleinerer mit Gewehren bewaffnet war, etwa 100 Jägern, drei Schwadronen Kavallerie, im ganzen höchstens 400 Reitern, und drei dreipfündigen Geschützen mit etwa 40 Mann Bedienung von Naugard nach dem ungefähr 40 Kilometer entfernt liegenden Stargard auf.

Stadtplan Stargard 1938 Ausschnitt

Stargard trug damals noch einen ganz mittelalterlichen Charakter. Mauer und Wall umgaben die Stadt; von Norden verhinderte dazu noch die zwischen der Stadt und der jetzigen Luisenvorstadt fließende Ihna die Annäherung. Wollte Schill sich der Stadt durch Überfall bemächtigen, so durfte er weder oberhalb noch unterhalb über die Ihna gehen. Überschritt er sie nämlich oberhalb Stargards, so kam er nicht mit dem Morgengrauen, sondern erst 3 ‑ 4 Stunden später vor der Stadt an; überschritt er sie unterhalb, so lief er Gefahr, zwischen die in Stargard liegende und eine etwa von Stettin aus heranrückende französische Abteilung zu geraten. So musste er über Massow und Lenz in gerader Richtung auf Stargard marschieren und es von seiner stärksten, weil durch die Ihna gesicherten Seite angreifen. In diesem Falle konnte aber der Angriff nur von Erfolg begleitet sein, wenn es ihm gelang, sich der hier über die Ihna führenden Brücke und des sie schützenden Tores, des Walltores, zu bemächtigen.

Schills Plan ging daher dahin, sich der Stadt mit größter Stille zu nähern, durch die Avantgarde der Infanterie das Walltor mit Äxten und Hebebäumen öffnen zu lassen und mit den Schützen die Häuser in der Nähe des Tores zu besetzen. Dann sollte die Kavallerie in die Stadt sprengen, um das Sammeln des Feindes zu verhindern, die Hauptkolonne der Infanterie im Sturmschritt auf den Markt eilen und von hier aus die anliegenden Straßen besetzen. Die Artillerie sollte dagegen bis auf weiteres unter Bedeckung hinter dem Mühlenberge zurückbleiben, einer Höhe nördlich der Stadt an der Stelle, an der sich heute die Massower und die Freienwalder Chaussee treffen.

Am Morgen des, 16. Februar um 5 Uhr. also noch bei völliger Dunkelheit, traf die Freischar nach anstrengendem Marsche am Windmühlenberg in Stargard ein. Aber schon hörte man in der Stadt die Alarmtrommel erschallen. Bereits in der Luisenvorstadt stieß die preußische Kavallerie auf eine feindliche Kavallerie Patrouille, die zwar zurück geworfen wurde, sich aber wieder in die Stadt retten konnte. Schills Anmarsch war nämlich den Franzosen verraten und zum Schutze der Stadt in der Nacht vom 15. zum 16. Februar ein französisches Regiment der Division Teulie, die zur Belagerung von Kolberg bestimmt und bereits über die Oder gegangen war, aus Pyritz in Stärke von mindestens 1000 Mann heran gezogen worden. Der Versuch der preußischen Infanterie, das Walltor zu erbrechen, misslang. Sie nistete sich deshalb in der Vorstadt ein und unterhielt von hier aus auf die von den Franzosen besetzten Wälle und Mauern ein lebhaftes Feuer. Gleichzeitig ging die Artillerie in Stellung und nahm das Walltor unter Feuer. Trotz aller Bemühungen gelang es ihr aber nicht, mit ihren minderwertigen Geschützen die Torflügel einzuschießen. Das Feuer der französischen Schützen vom Tor, vom Wall, von der Mauer und aus den die Mauer überragenden Häusern riss immer empfindlichere Lücken in die preußischen Reihen, und als nach Verlauf einer halben Stunde der größte Teil der Bedienung und der Bespannung der Geschütze getötet oder verwundet war, musste sich Schill schweren Herzens zum Rückzug entschließen. Er ging hinter den Windmühlenberg zurück, ließ hier von der Infanterie Batallionskarree formieren, deckte seine Flügel mit seiner Kavallerie und empfing den Feind, als dieser ihm folgte und die Brücke über den Krampehl bei der Mühle zwischen Stadt und Windmühlenberg überschritt, mit Kartätschenfeuer. Auf französischer Seite wurden nun rechts der Straße am Rande des Mühlenteiches unter dem Schutze der Weiden und links in den Gärten Schützen entwickelt. Jetzt geriet Schill. da bereits die Landstraße nach Massow von französischen Schützen besetzt wurde, in Gefahr, von seiner Rückzugslinie abgeschnitten zu werden, und musste deshalb seinen Rückzug in der Richtung auf Buchholz antreten. Hitzig drängten die Franzosen nach. Zum wiederholten Male  musste die preußische Kavallerie auf sie eindringen und sie unter erheblichen Verlusten preußischerseits zurücktreiben. Nur dadurch gewann Schill Zeit, die Geschütze, die zum Teil durch Mannschaften fortgeschleppt werden mussten, weil die Bespannung getötet war, fortschaffen zu lassen. Erst nach zwei Stunden ließ der Gegner von der Verfolgung ab, so dass der Rückmarsch in Ruhe auf der Massower  Landstraße fortgesetzt werden konnte. Abends kam das Corps stark erschöpft wieder Naugard an.

Auf beiden Seiten waren die Verluste nicht unerheblich. Schill selbst gibt zwar in seinem Gefechtsbericht  an König Friedrich Wilhelm III. die seinigen nur auf 6 Tote und 24 Verwundete an. In Wirklichkeit waren sie aber bedeutend höher. Die preußische Infanterie hatte an Toten und Verwundeten 80 Mann verloren, der Leutnant von Lysniewsky war schwer verwundet in Gefangenschaft geraten. Von der Kavallerie  hatte die Schwadron Lützow allein mehr als 30 Pferde verloren. Ihr Führer, der 1913 so berühmt gewordene Freischarenführer, war verwundet worden.

Der Streifzug gegen Stargard war also gänzlich misslungen und hatte Schills Schar erheblich geschwächt. Dazu kam noch, dass die Franzosen am folgenden Tage die in Naugard einquartierten Truppenteile überfielen und ihnen wiederum Verluste beibrachten. War aber auch der Zweck des Streifzuges nicht erfüllt, so trug er doch nicht wenig zur Beunruhigung der französischen Truppen und zur Hebung des preußischen Selbstgefühls und des verloren gegangenen Vertrauens auf preußische Tüchtigkeit in dieser für unser Vaterland so schweren Zeit bei.

In dem Online Lexikon Wikipedia ist zu diesen Ereignissen folgendes zu lesen:
Der König gestattete Schill per Kabinettsorder vom 12. Januar 1807, mit eigenen Mitteln ein Freikorps aus versprengten oder ranzonierten Soldaten der preußischen Armee aufzustellen. Von der Bevölkerung nach Kräften unterstützt, verliefen die kleineren Unternehmungen des Korps meist glücklich, die größeren aber unglücklich. Der am 15. Februar 1807 versuchte Überfall auf Stargard wurde mit Verlusten zurückgeschlagen, das befestigte Naugarder Amt von Schill, der zum Rittmeister befördert worden war, tapfer, aber erfolglos verteidigt. Schon bei diesen Aktionen zeigte sich eine verhängnisvolle Selbstüberschätzung Schills. Er musste verwundet nach Kolberg zurück, wo sich der Gegensatz zum Kommandanten Lucadou, dem Schill zu selbständig wurde, verschärfte.

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