Alt-Stargard im 18. Jahrhundert

Was ein Reisender in der pommerschen Stadt entdeckte

Dr. Hans Schmidt
(Aus: Die Pommersche Zeitung
vom 14. April 1956)

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen! Die Wahrheit dieses viel zitierten Wortes erfuhr im Jahre 1790  auch ein Reisender, der Alt-Stargard besuchte und daselbst Station machte. Zu einem interessanten Reisebericht  hat er uns die Verhältnisse  in der großen und schönen Stadt Hinterpommerns geschildert. Von diesem Bericht soll im Folgenden zu Nutz und Frommen der Heimatgeschichte und in Erinnerung an altes, verlorenes deutsches Land die Rede sein.

Recht idyllisch bot sich die am Ihnaflusse gelegene Stadt mit ihren 5912 Einwohnern dem Fremden und Besucher dar. Die üblichen städtischen Handwerke, die Bierbrauerei und die Branntweinbrennerei und daneben Ackerbau und Viehzucht bildeten die Hauptnahrungszweige der Einwohner. Kein Laut der aufgeregten Zeit störte dieses geruhsame Idyll. Fast jeder Bürger war im Nebenberuf Landwirt. Dementsprechend groß war der Viehbestand. Im Jahre 1790 zählte man in den Mauern der Stadt: 396 Pferde, 1150 Kühe, 3348 Schafe, 1482 Lämmer und 570 Schweine. Lebhafter Betrieb herrschte stets auf den beiden Krammärkten, wo viel Leinwand verkauft wurde, und auch die Woll- und Viehmärkte brachten den Bürgern beträchtliche Vorteile und reichen Gewinn ein. Von Industrie im heutigen modernen Sinne konnte noch keine Rede sein. Zwar waren einige Tuch- ,Strumpf- und Hutmanufakturen schon damals vorhanden. Sie arbeiteten indes mehr auf alter patriarchalischer Grundlage.

Pyritzer Tor 1790

Im geruhsamen Tempo fuhr die Postkutsche über holprige Straßen, und vor dem königlichen Postamt blies „Gevatter Schwager" sein lustiges Lied in alle Winde. Manch Blick aus schönen Frauenaugen traf die schmucken Angehörigen des hier stationierten Infanterieregimentes, und schon damals verfehlte der „Zauber der Montur" seine Wirkung auf das schöne Geschlecht nicht. Der Magistrat bestand aus drei Bürgermeistern, einem Syndikus, einem Kämmerer, vier Senatoren, einem Stadtsekretär und einem Kämmereikontrolleur. Die Steuern und Abgaben waren gering und dementsprechend hoch war der Lebensstandard der Bürger. Leben und Lebenlassen war die Devise. Immer hatte man Zeit zu einem geruhsamen Umtrunk in froher Runde, zumal die 44 städtischen Brauer und die 82 Branntweinbrenner ein gar edles Getränk herstellten.

Aller Weisheit höchster Fülle vermittelte das im Jahre 1631 vom Bürgermeister Gröning gestiftete und mit der Stadt oder lateinischen Schule verbundene „Collegium illustre". So mancher hoffnungsvolle Stargarder Zögling wurde hier in die Anfangsgründe des Lateinischen, Französischen und Hebräischen eingeweiht, zehn Stipendien erleichterten den Besuch dieser bekannten Bildungsanstalt. Die auf Initiative des Kriegsrates Friedrich Vangerow errichtete Realschule diente der Erziehung künftiger Handwerker. Seit dem Jahre 1784 war diese Schule mit der Güntersbergschen Armen- und mit der Waisenhausschule vereinigt.

Auch für die Armen und Kranken war bestens gesorgt. Zahlreiche milde Stiftungen, so u. a. das Waisenhaus am Johannisberge, das Hospital zum Heiligen Geist vor dem Pyritzer Tor, das Hospital St. Georg, die Wildenbrandsche Stiftung von 1748, das Kniggenarmenhaus, das Mildenitzsche Lehen- und das Movinsche Armenhaus zeugten von der sozialen Einstellung der Bürger. Es war einmal. Mit Wehmut gedenken heute die Stargarder der verlorenen Heimat. Es gilt das Erbe der Väter in treuer und lieber Erinnerung zu bewahren.

 

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