Stargards heilsame Übernahme durch Brandenburg und Preußen
Aus "Erinnerungen an Stargard in Pommern" von Heinz-Jürgen Torff - 2009, Eigenverlag
Am Ende des grausamen, Dreißigjährigen Krieges, nach wechselnen Kriegsbesatzungen durch die Kaiserlichen und die Schweden und marodierende und plündernde Horden, waren die meisten Stargarder Bürger geflüchtet oder tot. Über 2 Jahre blieb das Stadtfeld unbestellt und trug, wie Micrälius berichtet nur noch Blumen. Die Folge war eine arge Hungersnot, wie sie die wenigen Stargarder noch nie erlebt hatten. Sie fristeten ihr Dasein mit den unnatürlichsten Nahrungsmitteln und so entstanden pestartige Krankheiten. Die Stargarder Bevölkerung schmolz auf 1.500 Bürger zusammen. die Reichtümer der Stadt waren dahin und die Stadtschuld am Ende des Krieges auf ungeheure 196.511 Gulden angewachsen.Die Stadtgüter einschließlich Stargards Eigentumsdörfer mussten verpfändet werden. Dennoch bauten die fleißigen Bürger in den nächsten Jahrzehnten zum Teil nicht nur die zerstörten Häuser, sondern auch das Rathaus und ihre herrliche Marienkirche wieder auf. Stargard war im Westfälischen Frieden als Landeshauptstadt von Hinterpommern dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zugefallen. Der führte ein straffes, aber heilsames Regiment. Zwar beschnitt und beschränkte er den pommerschen Ständen wie auch der Stadt Stargard ihre alten Privilegien und Rechte, aber im übrigen war er darauf bedacht, die Wohlfahrt der Stadt zu fördern und ihre Wunden zuheilen.
Die Stargarder mussten statt des früheren Handels jetzt im Ackerbau und Gewerbe ihre Nahrungsquellen suchen. Die Rettung, nicht zu einer gewöhnlichen Landstadt abzusinken, kam mit der Verlegung der Landesbehörden, die hier neu ihre Sitze nahmen,und so entstand ein gewisses hauptstädtisches Gepräge. Damals wurde auch auf Anordnung die reformierte Gemeinde gegen den starken Widerstand der Lutheraner von Amts wegen gegründet. Bis zum Tode Wilhelms hatten sich Stargards Einwohner um mehr als das Doppelte vermehrt.
Sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich III., der erste König von Preußen, nahm schon 1699 zu Stargard persönlich die Huldigung der hinterpommerschen Stände entgegen und bestätigte bei dieser Gelegenheit auch die Privilegien der Stadt. Stargard erfreute sich unter seiner Regierung eines fortschreitenden Gedeihens. Der Nordische oder der so genannte Moskowiterkrieg ging mit der erfolgreichen Teilnahme des zweiten Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. ohne weitere Verwüstung an Stargard vorbei. Mehr Schaden allerdings als durch den Krieg entstand durch den Frieden, der diesen Krieg beendete. Im Stockholmer Frieden von 1720 fiel Vorpommern mit Stettin, Usedom und Wollin auch an Preußen. Jetzt verlegte der König die Landesbehörden zum großen Teil nach Stettin und Köslin. Als kleiner Ersatz für diesen Abzug galten wohl die Wiederherstellung des Gymnasiums und die zahlreiche große Garsison, die jetzt von den Bürgern auch teils als neue Nahrungsquelle angesehen wurden. Bei dem Regierungsantritt Friedrichs des Großen zählte Stargard schon wieder 5.500 Einwohner, die Schulden waren bis auf 50.000 Taler getilgt.
1756-1763, in der Zeit es Siebenjährigen Krieges, wurde Stargard von den Russen unter General von Berg besetzt und auch gebrandschatzt. General von Berg, der die Stadt auch noch nach Abschluss der Friedensvrhandlungen mit Russland besetzt hielt, hielt aber nicht nur strengste Manneszucht unter seinen Besatzugssoldaten, sondern auch dem erschöpften Land und der Stadt seine Kriegslasten so niedrig wie möglich. Als ihm die Stargarder Stände bei seinem Abzug ein kostbares Geschenk darbringen wollten, überwies er diese Summe an ein Stargarder Stift für arme Witwen. Auf den Hubertus-Frieden folgten vierzig Jahre der Erholung. Alljährlich kam der "Alte Fritz" hierher, um seine große Musterung über die sämtlichen pommerschen Regimenter abzuhalten. Dies zog wiederum viele Fremde in die Stadt und hob den Wohlstand sowie deren Ansehen. Auch bewies ihr der große König noch seine besondere Huld durch ein Geschenk von 50.000 Talern zum Wiederaufbau von 27 Stadthäusern, die noch vom Dreißigjährigen Krieg verwüstet waren. Stargards Einwohnerzahl stieg wieder und die Schulden wurden geringer.
Dann kam die Franzosenzeit! Als Stettin 1806 schmählich kapituliert hatte, rückten die Franzosen alsbald in Stargard ein. Sie forderten große Besatzungsabgaben an Geld und Lebensmitteln. Stargards Kirchen wurden als Heu- und Strohmagazine eingerichtet. Am 16.2.1807 suchte Major von Schill von Kolberg aus Stargard mit der französischen Besatzung zu erobern und die Franzosen zu vertreiben. Der Versuch misslang und nur mit Mühe konnte der französische Oberst Bonfanti beschwichtigt werden, die Stadt der Plünderung durch seine Soldaten freizugeben. Er warf der Stadt vor, mit den Schill´schen Offizieren gemeinsame Sache gemacht zu haben. Daraufhin nahm Marschall Soult in Stargard sein Hauptquartier, der dafür bekannt war, hohe Kontributionen zu fordern. Wieder mussten die Stargarder 200.000 Taler aufbringen und dazu noch die Kosten von Besatzung und Hauptquartier bezahlen. Als endlich der Frieden zustande kam, wurde die Regierung wieder von Stettin nach Stargard verlegt, und dort erschien dann auch das Regierungsblatt.
Zur Zeit der Freiheitskriege hatten auch die Stargarder ihre Bürgerwehr eingerichtet, die in der Stadt auf Ordnung halten sollte. Zu diesem Zweck bekam jeder gesunde Stargarder einen derben Stock und einen eisernen Säbel. Das Leben der Einwohner Stargards, die abwechselnd ihen Beruf bei Bedarf mit der Wehrpflicht vertauschen mussten, schilderte witzig der Volksmund durch zwei Verse, die heute wohl schon vergessen sind. Von den Ackerbürgern hieß es nämlich:
Heute bin ich ein Gardist, morgen fahr' ich wieder Mist.
Und von den Arbeitern sang man
Heute trag ich Stock und Degen, morgen muss ich wieder Rinnstein fegen.
Königin Luise auf dem Pyritzer Feld im Gespräch
mit ihren Stargardern Bürgern
Am 20. Dezember 1809 hielten König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, aus Königsberg kommend, ihren Einzug in Stargard. In dem damals von Kleist'schen Hause, Große Mühlenstr.7, stieg die königliche Familie ab und empfing auch hier den greisen Verteidiger von Kolberg, Joachim von Nettelbeck, in Audienz. Mit dem Dank des Königspaares wurde Nettelbeck nach der Tafel in seine Heimat entlassen. Der Marschall Vorwärts, Blücher, hatte damals in Stargard in dem Haus Pyritzer Straße 8 sein Hauptquartier und schmiedete dort seine Pläne gegen den verhassten Napoleon, der Deutschland mit seiner Armee überzog. Als es aber an die Ausrüstung der freiwilligen Jäger ging, gaben Stargard und seine Umgebung ein rühmenswertes Beispiel der Opferwilligkeit. Schnell waren über 6.000 Taler und 1.170 Lot Silber zusammengebracht. Viele junge Männer zogen mit in den Befreiungskrieg, eine Gedächtnistafel und ein Marienkirchfenster, gestiftet von dem Hauptmann Curt von Loeper, erinnerten bis zum Jahre 1945 an diese Opferbereitschaft. Nach den Befreiungskriegen entwickelte sich Stargard unter Preußen stetig weiter. Der wirtschaftliche Aufschwung konnte sich ohne kriegerische Handlungen voll entwickeln. Der neue Eisenbahnknotenpunkt mit seinen Werkstätten, der Zuzug von Gerichten, privaten Unternehmungsgründungen und die Stargarder Garsison verursachten einen regen Zuzug in die jetzt, Mitte des 18. Jahrhunderts, sich zu einer angenehmen Wohnstadt entwickelte Kreisstadt Stargard in Pommern .
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