Die Hospitäler der Stadt Stargard in Pommern
Aus Unser Pommernland, Jahrgang 1912-1913
Nach Aktenauszügen des Herrn Bürgermeister Dr. Thrun.
Die Stadt Stargard gehört zu den Städten, die sich einer großen Zahl von Stiftungen erfreuen können. Diese Stiftungen, die den verschiedesten Zwecken dienen, stammen zum Teil aus der ältesten Zeit. Sie werden teilweise von der Stadt selbst, teilweise von besonderen Kuratorien verwaltet. Der Hauhaltsplan der Stadt Stargard enthält einen besonderen Titel: "Hospital-, Stiftungs- und Legatenverwaltung", der in Einnahmen und Ausgaben mit 38.765,75 Mark abschließt.
Von allen diesen Stiftungen im Einzelnen zu sprechen, würde zu weit führen. Wir wollen uns deshalb auf die Zweige beschränken, die zugleich als besondere Anstaltungen auch äusserlich in Erscheinung treten, nämlich auf die Hospitäler.
Unter der Verwaltung der Stadt stehen zur Zeit 8 Hospitäler, die insgesamt für 115 Böhlen Wohnung gewähren. Es sind dies die Hospitäler: "St. Jürgen", "Elend", "Heilig Geist" und "Wilhelm", die sogenannten vier großen Hospitäler, das "Ziegelmann Voß'sche Stift", das "Kniggen-Jobst-Hospital" und das "Karow-Hospital".
Eine Übersicht über die Lage der Hospitäler am Ende des Mittelalters finden sie hier.
Über die Entstehung der drei ältesten Hospitäler St. Jürgen, Elend und Zum Heiligen Geist lässt sich etwas Bestimmtes nicht ermitteln. Sie stammen jedenfalls schon aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und dienten wohl ursprünglich der Verpflegung derjenigen Kranken, die von Pest und anderen Seuchen befallen waren. Darauf deutete auch der Umstand, dass sie nämlich vor dem Pyritzer Tor außerhalb der Stadtmauern errichtet worden waren. Später wurden diese Häuser zur Aufnahme altersschwacher und bedürftiger Mitbürger verwendet, die zum Teil dort zugleich die Mittel zu ihrem Unterhalte erhielten, da den Hospitälern inzwischen durch Schenkungen und Stiftungen reichlich Mittel zugeflossen waren.
Da es an jeder Satzung für die Hospitäler fehlte, wurde eine solche am 4. April 1881 von den beiden städtischen Bürgerschaften aufgestellt. Sie fand am 17. Juni 1881 die Bestätigung des Regierungs-Präsidenten in Stettin.
Die Zahl der Böhlenstellen sind mehrfach erhöht worden. So sind z.B. im Etat der großen Hospitäler 65 Stellen vorgesehen.
Schon 1870 wurde aus den Mitteln der Großen Hospital-Kasse mit dem Bau eines neuen Hospitals neben dem St. Jürgen-Hospital begonnen. Der Bau, der einen Kostenaufwand von 9723 Talern verursachte, enthält 12 Wohnungen , bestehend aus Küche, Kammer und Stube.
Im Jahre 1911 wurde sodann in der Friedrichstraße wiederum ein neues dreigeschossiges Hospital erbaut, bestehend aus 18 Wohnungen. Der Bau erforderte einen Kostenaufwand von 65.000 Mark. Die Mittel konnten der Großen Hospitalkasse entnommen werden. In dieses Hospital wurden zunächst die Insassen des Wilhelm-Hospitals aufgenommen, da dieses von der Kasse des Ziegelmann-Voss'schen Stiftes, das wegen Baufälligkeit zum Abbruch bestimmt worden war für dessen Insassen aufgekauft worden war. Mit dem Neubau, der wieder den Namen "Wilhelm-Hospital" erhielt, während dem ursprünglichen "Wilhelm-Hospital der Name "Ziegellmann-Vosssches" Stift gegeben wurde., ist die Zahl der Wohnungen also um acht vermehrt worden.
Die städtischen Körperschaften haben in diesem Jahre wiederum den Bau eines neuen großen Hospitals in der Friedrichstraße beschlossen, das in drei Geschossen 24 Wohnungen enthalten soll, in jeder Etage 8. In dieses Hospital sollen zunächst die Insassen des Jürgen-Hospitals und des Heilig-Geist-Hospitals aufgenommen werden. Das Jürgen-Hospital ist schon recht alt und nicht mehr in gutem Bauzustande. Es wird voraussichtlich abgebrochen werden. Das Heilig-Geist-Hospital, das kürzlich mit einem Kostenaufwande von rund 4.000 Mark einer gründlichen Reparatur unterworfen worden ist, soll dem Movius-Hospital überwiesen werden, dessen eines Gebäude wegen Baufälligkeit abgerissen und auf der alten Stelle nicht wieder neu erbaut werden soll.
Der Bauzustand des Ziegelmann-Voss'schen Stifts hatte sich in den letzten Jahren immer mehr verschlechtert, deshalb war schon seit Jahren beabsichtigt, das Grundstück zu verkaufen und für die Stiftung ein neues Gebäude zu erbauen oder zu erwerben. Das ist dann auch, wie bereits oben gesagt, im Jahre 1911 geschehen. Das bisherige Gebäude in der Breitenstraße, an dessen Stelle sich heute ein moderner Wohnhausneubau erhebt, ist für 24.000 Mark verkauft worden; dafür ist das Wilhelm-Hospital für 39.000 Mark erworben worden.
Das Kniggen-Jobst-Hospital in der Jobststraße in der Nähe der Heilig-Geist-Kirche entstand aus der Verbindung des Jobst-Hospitals mit dem Kniggen-Armenhaus. Die Gebäude dieser beiden Stiftungen waren 1844 so baufällig, dass ein Neubau dringend notwendig war. Da die Baumittel beschränkt waren, beschlossen die städtischen Körperschaften, diese beiden Stiftungen zu vereinigen und für die Böhlen derselben ein gemeinsames Hospital zu erbauen, die alten Gebäude aber zu verkaufen.
Das Movius-Hospital ist eine letztwillige Stiftung des Bürgermeisters Joachim Caspars Movius. In seinem am 6. Juni 1747 publizierten Testamente hatte er sein auf dem Kleinen Wall gelegenes Haus für 4 arme Bürgerfamilien und 2 Frauen bestimmt. Zur Bestreitung der Unterhaltskosten für das Haus hatte er ferner ein Kapital von 100 Talern vermacht.
Im Jahre 1834 wurde aus den Mitteln des Hospitals das Nachbarhaus hinzugekauft und 1865 musste ein Teil des Hospitals neu gebaut werden, nachdem bereits 1844 das alte Hinterhaus und ein kleines Häuschen auf dem Hofe abgerissen und dafür ein Hinterhaus erbaut worden war.
Die städtischen Körperschaften haben jetzt beschlossen, für das Movius-Hospital das Heilig-Geist-Hospital zu erwerben und in dieses sobald der beschlossene Hospitalneubau in der Friedrichstraße, von dem oben gesprochen ist, vollendet ist, die Insassen dort unterzubringen.
Stargard 1928 Hospitäler in der Friedrichstraße
Das Karow-Hospital ist eine Stiftung neuester Zeit. Der unbesoldete Stadtrat, Kommerzienrat Karow schenkte der Stadt Stargard die Summe von 30.000 Mark zum Bau eines Hospitals. Nachdem Herr Karow am 12.Juni 1908 verstorben war, erhöhten seine Erben diese Summe auf 40.000 Mark und sein Sohn Erich Karow erklärte sich später bereit, zu dieser Summe seinerseits noch den Betrag von 3.000 Mark hinzuzufügen, damit der Hospitalbau ganz aus Stiftungsmitteln bestritten werden könnte. Das Gebäude wurde in der Friedrichstraße neben dem neuen Wilhelm-Hospital errichtet und konnte am 27. September 1911 zusammen mit dem neuen Wilhelm-Hospital seiner Bestimmung übergeben werden. Es hat einen Kostenaufwand von rund 43.000 Mark erfordert. In dem Gebäude, das dreigeschossig ist, befinden sich 12 Wohnungen, jede aus Stube, Kammer und Küche bestehend. Drei von den Wohnungen besetzt der Mühlenbesitzer Erich Karow, der Sohn des Stifters oder sein Rechtsnachfolger im Besitze der Mühle nach freiem Ermessen. Die übrigen Stellen werden durch die Hospitaldeputation besetzt. Die Gewählten müssen Bürger der Stadt Stargard aus dem Kreise der Gewerbebetreibenden oder Witwen und Töchter von solchen und mindestens 60 Jahre alt sein. Sie erhalten zur Zeit noch keine Pröbe und müssen ein Einkaufsgeld von 250 Mark und ein Auskaufsgeld von 50 Mark zahlen. Diese Verpflichtung haben auch die von der Familie Karow Gewählten.
Außer diesen unter städtischer Verwaltung stehenden Hospitälern sind hier noch zwei unter Verwaltung besonderer Kuratorien stehende Hospitäler vorhanden: Das Wildebrandsche Stift und das Reisemann-Stift.
Die Wildebrandsche Stiftung besitzt zur Zeit ein Kapitalvermögen 72.750 Mark und außerdem einen Bau-Reservefonds von 2.090 Mark in einem Sparbuch der städtischen Sparkasse. Die Zinsen des Letzteren werden bis auf Weiteres dem Kapital zugeschrieben. Das Ein-und Auskaufsgeld einer Böhlin beträgt 300 Mark, die jährliche Pröbe gegenwärtig, einschließlich einer Beihilfe zum Ankauf von Brennmaterial von 18 Mark, je 150 Mark.
Das Reisemannsche Stift ist von dem Kaufmann Michaelis Löser Reisemann in seinem gerichtlichen Testamente vom 15. Januar 1863, das am 28. Oktober 1868 eröffnet wurde, begründet worden. In diesem Testament hatte Reisemann sein an der Ihna und außerhalb der Schlachtpforte gelegenes Gartengrundstück mit den darin befindlichen Häusern, die vier Wohnungen enthielten, zu einer Versorgungsanstalt für alte Personen jüdischen Glaubens bestimmt und zwar Eheleute ohne Familie und unverheirate Mannspersonen, die das 50. Lebensjahr erreicht haben. Die Insassen erhalten ferner aus dem Ertrage seines sonstigen Nachlasses eine Pröbe von je 30 Talern. Irgendwelche Aufnahmegebühren werden nicht erhoben.
Die Verwaltung unterliegt einem Kuratorium, bestehend aus dem jeweiligen ersten Bürgermeister der Stadt, einem Mitgliede der Vorsteher der hiesigen jüdischen Gemeinde, das von dieser zu wählen ist, und einem in gleicher Weise zu wählenden Mitgliede des Repräsentanten-Kollegiums.
Nachbemerkung
Mit Böhlen sind hier sicher die Insassen von Hospitälern und Stiften gemeint. Das Wort Böhlen, das 1912 noch gebräuchlich war, gibt es anscheinend nicht mehr. Eine intensive Suche im Internet (Wikipedia) war erfolglos. Ein Buch von Teske, das er 1843 anlässlich der 600-Jahr Feier von Stargard geschrieben hat, enthält dieses Wort.
Dietrich Otto
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