II. Die Herstellung der Marienkirche im 17. und 19. Jahrhundert.
Superintendant Heinrich Brück, Pastor primarius von 1900-??? in der Marienkirche
aus Stargarder Jahresblatt 1993
Der dreißigjährige Krieg brach aus, der für die Marienkirche, wie für Stargard verhängnisvoll werden sollte. 1635 wurde mit fast der ganzen Stadt auch die Marienkirche durch einen furchtbaren Brand in Asche gelegt. Türme, Dächer, innere Einrichtung, alles wurde vernichtet. Die Gewölbe stürzten ein, nur das Gewölbe über der Orgel, das Dach über dem kleinen Altar und das Gewölbe der Marienkapelle blieben stehen. Die Kirche war ein Trümmerhaufen geworden. Aber trotz allen Kriegselends war man mit großem Eifer sofort darauf bedacht, das schöne Gotteshaus wieder herzustellen. Und wirklich der Opferwilligkeit seitens der Bürgerschaft, den eifrigen Bemühungen hervorragender Männer, unter denen besonders der Kirchenvorsteher Martin Loeper hervorragt, gelang es, auch mit Hilfe von Sammlungen, die in benachbarten Ländern vorgenommen wurden, die Herstellung der Kirche - wenn auch infolge des Krieges mit vielen Unterbrechungen - zu erreichen. Freilich in ihrer früheren Pracht und Herrlichkeit entstand sie nicht wieder. Von der Kirche vor dem Brande sagte in seiner am 13. Februar 1661 gehaltenen Einweihungspredigt der Pastor Wilhelm Engelke (Archidiakonus von 1660-1686 in der Marienkirche): „Wenn wir selbige beschreiben könnten, wie sie für erlittenem Brande in ihrem besten Flor und Stande gewesen, ihr ganzes kostbares Gebäude von künstlichen Mauren und Gewölben, die zwei hoch aufgeführten Türme, so an der Kirche gestanden, wie auch die treffliche, hohe Circumferenz, so ist keine Kirche in Pommern, so auch wohl in manchem Königreich und Provinz, welchen diese nicht weit vorzuziehen gewesen ist." Aber soweit die Mittel reichten, und was die damalige Kunst vermochte, das kam zur Anwendung. Davon zeugen die Gewölbe des Mittelschiffs und der Südturmhalle, vor allem die in diesen Gewölben befindliche feine Barockmalerei. Statt des früheren Kupferdachs erhielt die Kirche - und dazu zwang wohl die Not der Zeit - Ziegeldächer. Der Südturm erhielt, wohl aus demselben Grunde, einen Ost- und Westgiebel statt der bisherigen pyramidalen Spitze. Auch der Giebel des Mittelbaus stammt aus dieser Zeit. Am Nordturm wurden die vier Ecktürme mit ihrer haubenartigen Bekrönung aufgeführt, und 1723 wurde dieser Turm mit dem noch jetzt vorhandenen barocken hölzernen Helm versehen. 1741 wurde die Marienkapelle repariert und ihr ein neues Dach aufgesetzt.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war wiederum eine umfassende Erneuerung der Kirche notwendig geworden. Eine Verfügung der Königlichen Regierung zu Stettin vom 23. Dezember 1817 wirft ein grelles Licht auf den damaligen Zustand der Kirche. In dieser Verfügung heißt es: Es ist uns bekannt geworden, dass das Dach der Marienkirche in so desolaten Umständen ist, dass der Regen und das Schneewasser an vielen Orten durchdringt, das Gewölbe der Kirche und Vorhalle durchweicht, so dass diesen zum Teil der Einsturz droht, dass die Sparren des Daches zum Teil zerbrochen sind und den Herabsturz des Daches anzukündigen scheinen, dass der Fußboden in den Gängen so uneben geworden ist, dass man solchen größtenteils nur mit Furcht zu fallen oder zu versinken begehen kann. Außerdem sind die Kirchenfenster zum größten Teil zerbrochen, so dass dem Regen und Schneetreiben überall die Wege geöffnet sind. im Innern dieser sonst so schönen, zu den vorzüglichsten Denkmälern gotischer Baukunst in Deutschland gehörigen Domes zeigen sich die Spuren der höchsten Vernachlässigung. Was einst fromme Vorfahren mit fast unerklärbaren Kosten und Kraftaufwand zu ihrer Ehre erbauten, muss zur Schande ihrer Nachkommen und Nachwelt bald verödet und in Ruinen dastehen, wenn nicht bald und kräftig Hand angelegt wird, dem Ruine vorzubeugen. Infolge dieser energischen Verfügung an den Magistrat ließ dieser einen Kostenanschlag aufstellen, der sich auf rund 10800 Taler belief. Friedrich Wilhelm III., der die Marienkirche durch eigene Anschauung von früheren Jahren her, als er mit seiner Gemahlin, der Königin Luise, im Jahre 1804 zur Revue in Stargard gewesen war, kannte, bewilligte zu den Kosten 5000 Taler. Es wurde freilich der ursprüngliche Kostenanschlag in so außerordentlichem Maße überschritten, dass die Kosten schließlich mehr als das Dreifache des ersten Anschlages betrugen. Und wie wurde restauriert! Schonungslos wurde alles Gerät und aller Schmuck im Innern vernichtet, die Pfeilervorlagen und Pfeilersockel wurden abgeschlagen, das ganze Innere wurde mit einer dicken Putzschicht überzogen und rosarot angestrichen. Geschmacklos war auch das neu aufgestellte Gestühl. Kanzel, Altar und Orgelfassade waren dagegen nach Zeichnungen von Schinkel angefertigt worden und konnten auf künstlerische Bedeutung Anspruch machen. Auch das Äußere ließ man nicht unangetastet. In unbegreiflicher Weise vergriff man sich an der Marienkapelle, deren herrliche Pfeiler verstümmelt wurden. Die aus Ton gebrannten Statuen in den Pfeilernischen wurden entfernt. Unterhalb des Dachreiters wurden die kleinen Türme auf beiden Seiten des Chorgiebels einfach abgetragen. In dieser Gestalt war die Kirche unsrer Zeit überliefert worden.
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