Die Germania- und Kammerlichtspiele

Werner Lenz
Ober/Ottersbach 3
53783 Eitorf/Sieg
Tel.: 02243 5052

27.4.2009

Am Marktplatz, seitlich zur Marienkirche befanden sich die Kammer Lichtspiele. Es war ein schmales Haus und ganz oben unter einem Glasdach arbeitete der Fotograf Wollf. Manchmal musste ich meinen besten Anzug anziehen und meine Mutter zog ihr bestes Kleid an, um uns dort fotografieren zu lassen. Der Saal des Kinos war ein schmaler aber langer Raum (wie eine Kammer). Hier wurden Filme gezeigt, die keinen hohen Wert hatten! Es sei denn, sie waren schon sehr alt oder man hatte sie schon irgendwann mal gesehen.

Kammer Lichtspiele

Kammerlichtspiele am Markt

Die großen Filme wurden in den Germania Lichtspielen gezeigt. Dieses befand sich um die Ecke, in der Poststraße in Richtung zum Stadttheater und Königsstraße. Nachdem in Berlin im UFA Palast die Filme ihre Uraufführung hatten, kamen sie Wochen später in die Germania. Hans Albers, Harry Piel, Willi Birgel sowie Zahra Leander oder Winni Markus usw. waren Starbesetzungen in Spitzenfilmen. Wir Kinder hatten ja kaum Geld. Hatten wir uns mal einen Groschen oder Sechser verdient, gingen wir in die Nachmittagsvorstellung. Abends durften wir nicht rein. Der Mann, der am Eingang stand und die Karten abriss, war ein Riese. Er hatte eine Uniform an wie die Zirkusleute oder die Türsteher vom Hotel Exelsior in Berlin. An diesem vorbeizukommen, um unentgeltlich eine Vorstellung zu besuchen, war unmöglich. Wir warteten bis der Film angefangen hatte. Das heißt, zuerst kam die Reklame, dann fragte der Türsteher “Wer hat 20 Pfennig, der kann rein”. Nachdem der Mickymaus Film gelaufen war, durfte man für 10 Pfennig rein. War der Hauptfilm eine halbe Stunde gelaufen, durfte man für einen Sechser rein und danach umsonst. War der Film zu Ende, blieb man sitzen bis die nächste Vorstellung begann. An der Stelle, wo wir vorher reingelassen wurden, gingen wir raus und hatten somit den ganzen Film gesehen. Als man unseren Trick durchschaut hatte, flogen wir nach dem Filmende raus. Umsonst kamen wir nie wieder rein, 10 Pfennig mussten wir wenigstens investieren. Die Eintrittspreise in der Germania waren höher als in der Kammer. Daher ging man nur in die Germania (wir Kinder), wenn Spitzenfilme gezeigt wurden.

Als die Nazis ans Ruder kamen, durften Filme von jüdischen Regisseuren nicht mehr gezeigt werden. So wurde eines Tages der Film “Jud Süß” gezeigt. In der Zeitung wurde bekannt gemacht, das in der nächsten Woche ein Film vom Schächten von Tieren gezeigt wird, d.h. wie Juden Tiere schlachten. Wer schwache Nerven hätte, solle nicht hingehen. Dass jetzt alles neugierig war, ist selbstverständlich. Das Kino war bis auf den letzten Platz besetzt. Nach der ersten halben Stunde war nur noch die Hälfte drin. Das Ende haben kaum 10 Personen gesehen. Meiner Meinung nach hatte man den Film übertrieben grausam dargestellt, in dem man den Tieren die Kehle durchschnitten hatte und sie dann frei laufen ließ, bis sie ausgeblutet waren!

“Im Westen nichts Neues” zeigt ein Plakat als Vorschau für einen Kriegsfilm des 1. Weltkrieges an. Es wurde empfohlen nicht hinzugehen. Warum wusste keiner. Später als ich das Buch gelesen hatte. das man sich heimlich geliehen hatte, wusste ich warum. Ein deutscher und französischer Soldat trafen sich während einer Kampfhandlung im Schützengraben (zufällig). Keiner erschoss den anderen, sondern sie gingen als Freunde zu ihren Linien zurück. Dieses passte den Nazis nicht. Als trotzdem die Leute ins Kino gingen, wurde der Film verboten. 3 Tage war die Germania geschlossen, bis ein anderer Film gezeigt wurde.

Als das neue Kino “Capitol” gebaut wurde, kamen die Spitzenfilme nur hierher. Der Eintrittspreis war natürlich höher. So kam es, dass wir in Stargard 3 Kinos und 3 verschiedene Eintrittspreise hatten. Das Kapitol war immer ausverkauft. Dort liefen unter anderen die Filme “Der Blaufuchs” mit Zahra Leander oder “ Wasser für Canitoga” mit Hans Albers usw. War das eine Zeit, waren das Filme, wie schön das erlebt zu haben!

 

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