Von Lubin bis Espagné
"Erinnerungen an Stargard in Pommern" von Heinz-Jürgen Torff - 2009
Die lange Entwicklung in der bildlichen Darstellung der Stadt Stargard in Pommern hat wohl ihren Ausgangspunkt und Vorläufer in dem Rahmen der ersten Landkarten aus dem 16./17. Jahrhundert. Aus unserer Schulzeit noch bekannte Namen waren Lubin, Merian u.a., die der damaligen Zeit mit ihren Fähigkeiten und Ideen weit voraus waren. Sie schufen mit ihren Techniken wie u.a. dem Kupferstich schon damals farblich mit Wasserfarben und Aquarell Landkarten und Ansichten, die über Jahrhunderte bis heute geschichtlichen Bestand haben.
Vor fast 400 Jahren reiste Eilhard Lubin, Theologe und Geograph, im Auftrag des Pommern-Herzogs durch unser Land, um das Herzogtum zu kartographieren. Dabei entstand u. a. die Vedute der mittelalterlichen Stadt Stargard. Um diese Vedute mit deren historischen Einzelaufeichnungen auch noch nach 1945 geschichtlich nachzuweisen und in seinen Büchern darzustellen, sind dem Stargarder Stadtarchivar und Stadtgeschichtsschreiber Joachim Stampa sicher einige graue Haare mehr gewachsen. Einige Positionen Lubins in seiner Vedute waren in Stampas modernem Stadtpanorama weder örtlich nachzuvollziehen noch in der aufgeführten Anzahl der einzelnen Befestigungsanlagen auch noch urkundlich zu belegen. Es lagen schließlich fast 400 Jahre Betrachtungsweise dazwischen. Für den Verfasser selbst sind bauliche Darstellungen über die Zeitspanne Zeugnisse der Stargarder Stadtgeschichte, wie sie spannender und interessanter nicht sein können.
Das, was Thomas Kantzow schon 1540 über die Stadt Stargard in seinen Schriften berichtete, hielt Eilhard Lubin in seiner Vedute bildlich fest. Wer zu dieser Zeit diese kompakte Darstellung von dichten Häuserreihen, Kirchen, mächtigen Toren, Türmen, Wallanlagen und Stadtmauern so betrachtete, dem wurde sicher klar, dass es sich hier um eine starke, reiche und wehrhafte Stadt handeln musste. Im Jahre 1612 hatte Stargard schon 12.000 Bürger in seinen Mauern.
Weithin sichtbar im schönen Gefilde erhebt sich Stargard, das turmgeschmückte, mit hohen Mauern bewehrte, seiner Macht sich bewusst und des Reichtums seiner Bewohner.
Reichtum, Macht und Wohlstand der Bürger sind längst vorüber. Aber ihre Türme und Mauern und die hochragenden Kirchen hat die Stadt größtenteils heute noch wie 1528, als der Greifswalder Professor Secervitius jene Verse schrieb. Das „ Ansehen " jedoch dieser auch einst geschichtlich reichen Stadt haben im 19./ 20. Jahrhundert Stargarder und auswärtige Künstler in vielerlei Darstellungen der Nachwelt erhalten.
Das frühe Stargard als nordisches Nürnberg, oder wie heute stolz die neue polnische Broschüre über Stargard - Kleinod Pommerns informiert, gibt Zeugnis davon. Eine Serie von Bildern unter dem Titel „ Romantisches Stargard " wurde Ende des 19. Jahrhunderts von einem Künstler dargestellt, der mit W. Herwarth signierte. Die Bildserie ist geschmückt mit dem ganzen Reiz mittelalterlicher Stadtromantik. Viele Kopien dieser Exponate schmücken seitdem heimatliche Schriften mit Sagen und Dichtungen über die Stadt. Der Schriftsteller und Dichter Ludwig Hamann mit der Künstlerin Hanni Meinhold schrieben und skizzierten
Das ist das schöne Stargard im Pommern / Verlag von Max Mallin.
Im Stargard-Haus in der Patenstadt Elmshorn in Schleswig-Holstein sind noch etliche Originale einiger uns bekannter Künstler als Nachlass, Vermächtnis und als Dauer-Leihgabe anzusehen. Dort zu finden sind Exponate in Öl, Aquarell, Federzeichnungen, Graphiken nebst unwiederbringlichen Fotoarbeiten von Künstlern wie E. Kolbe, E. Prielipp, H. Michaelis, H. Balke, Fritz Preiß und nicht zuletzt vom zweimal vertriebenen begnadeten Künstler B. Th. Dietrich-Dirschau.
Aber auch noch nach Krieg und Gefangenschaft entdeckten Pommern ihre Talente und hielten ihr Land und ihre Heimatstadt in Bildern fest. Besonders zu erwähnen ist zunächst der Stettiner Künstler und Musikpädagoge Bruno Koglin, ein Schwiegersohn der Alt-Stargarder Familie Mühl
Buch: Als der Maikäfer flog.
Koglin erschuf seine Ansichten über Stargard im Pointillismus (punktförmig gemalte Stilrichtung).Ein noch im hohen Alter aktiver Stargarder Nachkriegskünstler ist Erwin Espagnè, Spross einer Hugenottenfamilie aus der „Kleine-Mühlen-Straße." Er hat gerade sein 25. Jubiläum im Pommerschen Künstlerbund erleben dürfen. Zu seinen Werken außer auch rein pommerschen Motiven erinnern unter anderem die Badergasse mit den Schwibbögen von 1596 und ein Stargarder Panorama an seine Geburtsstadt. Dies zeigt von einem gedachten Standort auf dem Nachtigallensteig die ganze Stadt - mit den Kasernen im Westen, dem Luisen-Viertel im Osten und als obere Begrenzung im Süden die Eisenbahnstrecke nach Kreuz. Das Panorama ist beschriftet: Stargard in Pommern 1243 -1945.
Es gibt von der Stadt wohl kaum bekannte Straßen, Plätze, bedeutende Gebäude und historische Bauten, die nicht auf den ...zigtausenden Ansichten oder Panoramen ihren Weg mit Reichspost und Reichsbahn Grüße in alle Welt trugen. Künstlerisch produziert wurden diese Ansichten durch Stargarder Kunstverlage wie die von A. Schleiffer, W. Reisener, H. Lamm, E. Jaite, Karten-Henkel, F. Thomy, G. Moll, F. Moldenhauer, 0. Plath, F. Plautz, F. Hendeß und auswärtige Verlage in Leipzig, Zwickau, Stettin, Lübeck, Hamburg sowie 0. Anschütz und Deutscher Kunstverlag (Staatliche Bildstelle in Berlin), soweit dem Unterzeichner bekannt. Die Fotographie, der moderne Druck und besonders in unseren Stargarder Kirchen die Glasmalerei der Kirchenfenster, hier besonders die in St. Marien geschaffenen Ansichten etwa 1908 von de Bouche in München und mit denen aus der Kunstwerkstatt Linnemann aus Frankfurt a. M., waren von hohem Kunstwert und noch in Goldmark zu bezahlen. Diese großen Glasfenster hielten die kirchlichen Handlungen abwechselnd mit den Vorgängen der pommerschen Kirchengeschichte sowie der Stargarder historischen Stadtgeschichte in kunstvoller Ausführung der Jahrhunderte fest. Diese teuren und wertvollen Ansichten verdanken die Bürger vielen Persönlichkeiten, Innungen und Mäzenen der Stadt sowie den Spenden alteingesessener früherer Gutsbesitzerfamilien aus dem alten „Land Stargard". Kaiser und König Wilhelm II. stiftete auch zwei Kirchenfenster, die Beichte und das Abendmahl. Selbst die Familie von Uckermann, die im 14. Jahrhundert hier die Bürgermeister stellte und deren Nachkommen schon lange verzogen waren, konnte sich dem Wunsche, das letzte offene Fenster zu spenden, nicht entziehen.
Der wohl erste uns bekannte Künstler aus Stargard mit dem alten Hafen-Mühlentor und der Innenansicht von St. Marien in Ölfarben war Max Mollin (1840). Seine Marienkirchen-Innenansicht hatte der preußische König Friedrich-Wilhelm III. angekauft. Der Künstler Th. B. Dietrich-Dirschau hatte noch viele Jahre nach 1945 seine zweite Heimatstadt Stargard in seinen Werken festgehalten, auch als Dank an die Stargarder Bürger und an die Patenstadt Elmshorn. Oft schon, wie wenige pommersche Städte, ist die Stadt Stargard gebrandschatzt, ja fast eingeäschert und verwüstet worden durch Kriege und feindliche Heerscharen, und fast jedes Mal entstand die Stadt durch den Fleiß und die Heimatliebe ihrer übrig gebliebenen Bürger, oft auch mit staatlicher Finanzhilfe, neu nach alten Vorlagen und Ansichten fast über 700 Jahre lang. Bei der letzten Verwüstung 1945 halfen keine wehrhaften Tore, Türme und Stadtmauern mehr. Die Vernichtung kam diesmal aus der Luft mit Bomben und Phosphor. Die Stadt war nur noch ein grausames Flammenmeer, die Bürger vertrieben worden, und nur die Erinnerung und die Ansichten blieben.
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