Einsatz als LWH
Herbert Bliesener geb. 04.03.1928
Preußenweg 41 Stargard
Lehrling im RAW Stargard
Maschinenschlosser
Meine Ausbildung und meinen Einsatz als LWH im Raum Stettin erlebte ich so, wie von Ulli Wagner und Jürgen Neitzel es beschrieben haben. Von Stettin-Güstow wurde der 5. Zug, in dem ich war, nach Buslar verlegt. Soweit ich mich erinnern kann, war unser Zugführer Fahnenjunker-Wachtmeister Lippert. Mein Geschützführer war Unteroffizier Schulz (Astrologe), am Nachbargeschütz war Unteroffizier Cebulla aus Schlesien und am dritten Geschütz war Unteroffizier Hartlaub aus Bayern. Von den LWH sind mir noch die Namen: Wagner Ulli, Zachow Günter, Zaube Willi, Fuhlbrügge Horst, Weichelt Horst, Müller Hans, Zinn Ulli, Carl Ulrich und Callis in Erinnerung.
In Buslar wurde unser Zug personell umgestaltet. Zugführer war Stabswachtmeister Karl, ein Mann der im 500000 Mannheer gedient hatte und aus Königsberg war. An meinem Geschütz kam als Geschützführer Obergefreiter Juraschka aus dem Memelland. Weiter wurden uns noch einige AV-Soldaten (AV = arbeitsverwendungsfähig) zugeteilt. Ich hab von denen noch den Soldat Luttermann in Erinnerung. Er war in Waren-Müritz in Mecklenburg zu Hause. Die erste Feindberührung war wie es Ulli Wagner beschrieben hat. Als wir sahen, wie die Vierlingsflak aufgerieben wurde, zogen wir uns zurück. Mussten unsere Geschütze aber zurück lassen, da wir sie nicht aus dem Pyritzer Weizacker heraus bekamen. In Erinnerung hab ich noch sehr gut, dass ich als Ladekanonier den Verschluss der Kanone mitnehmen musste, diesen aber beim Sprung über einen Graben verloren habe. Bevor wir unsere Stellung wieder einnahmen, suchte ich erst den Verschluss. Jetzt wollten wir mit Zugmaschinen unsere Geschütze aus der Stellung ziehen. Das gelang uns aber nicht. Der Obergefreite Juraschka und der AV-Soldat Luttermann holten darauf hin ein paar Ochsen vom Gut Buslar, mit denen wir unsere Geschütze aus den Löchern zogen. Abends kamen wir gezogen von Zugmaschinen in Stargard am Freienwalder Flugplatz an. Einer unserer Vorgesetzten erlaubte uns nach Hause zu gehen. Wir mussten aber versprechen wieder zurück zu kommen. Meine Eltern mussten kurz davor geflüchtet sein, denn im Herd war noch Glut.
Am nächsten Morgen bezogen wir unsere Stellung in der Laubenkolonie am Franzosenweg. Geschlafen haben wir im Vereinshaus. Das Artilleriefeuer der Russen ging immer über uns hinweg. Die Granaten schlugen zum größten Teil im neuen Friedhof ein. Mit Horst Weichelt war ich mehrmals zum Essen holen eingeteilt. Der Tross lag im Lindenhof. Also ging unser Weg über den Preußenweg an der elterlichen Wohnung vorbei, wo wir uns an dem Eingemachten labten.
Vom Franzosenweg wurden wir in die Bugenhagenstrasse verlegt. Die Bugenhagenstrasse war eine kleine Sackgasse, die von der Scharnhorststrasse nach rechts abbog. Hier hatten wir mehrere Tieffliegerangriffe und die Geschütze waren rund um die Uhr besetzt mit zwei Mann. Nur bei Angriffen mussten die Stammbesatzungen an die Kanonen. Von der Bugenhagenstrasse ging unser Weg zum Kasernenhof der Seelhorstkaserne (Sammelplatz), zur Rasenbank. Dort wurden nochmals Einmannlöcher geschaufelt und Stellung bezogen. An meinem 17. Geburtstag den 04.03.1945 gaben wir auch diese Stellung auf, fuhren auf der 104 in Richtung Stettin. In Moritzfelde mussten wir nochmals um unser Leben bangen. Wir mussten absitzen und im Sprung auf Marsch-Marsch diesen Abschnitt bewältigen. Die Russen hatten hier eine gute Einsicht und beschossen diesen Abschnitt mit schwerer Artillerie. Es gelang uns aber mit den Geschützen bis nach Stettin-Buchholz zu kommen. Hier lagen wir noch einige Tage in Stellung. Nachts kam immer ein russisches Flugzeug genannt U V D. Dieses Flugzeug stellte, wenn es über unserer Stellung war, den Motor ab und warf alles Mögliche auf sich bewegende Ziele. Eines morgens fanden wir eine Rolle Stacheldraht, die auf uns geworfen wurde. Geschossen werden durfte auf dieses Flugzeug nicht. Von Buchholz ging es durch die Buchheide nach Hohenzade. Auf einer Anhöhe bezogen wir Stellung zum Schutz der Autobahnbrücke, die über die Oder ging.
Von jetzt an hatte unser Zug vier Geschütze. Das vierte Geschütz war vom 2. Zug der in Stargard am Ablaufberg lag übergeblieben. Am 20.04.1945 in den Morgenstunden erlebten wir ein stundenlanges Trommelfeuer. In dieser Zeit bauten die Russen eine Brücke aus Pontons über die Oder und besetzten das westliche Ufer. Wir konnten durch unser Flakfernrohr gut beobachten, wie unsere Truppen im Nahkampf die Russen bis ins untere Dorf zurück warfen. Es war ein sehr verbitterter Kampf. Nachdem der Russe auch hier in der Überzahl war, bekamen wir den Befehl zum Rückzug. Ein Packgeschütz mit drei SS-Soldaten zog in unsere Stellung und deckte unseren Rückzug. Zuvor hatten sie noch mit ihrer Zugmaschine unsere Geschütze bis zur Autobahn, die dicht an unserer Stellung war, gebracht. Ab ging es weiter in Richtung Westen. Über Löcknitz in Richtung Woldegk, so hab ich es in Erinnerung, sprengten wir unsere Geschütze. Als Infantrist ging es weiter, einige Tage zwischen beiden Fronten. In Neubrandenburg erwischte uns die Feldgendarmerie (Kettenhunde). Wir wurden wieder aufgerüstet, zu einem kleinen Trupp zusammengestellt und dann ab in Richtung Front. Kaum waren wir außer Sichtweite, hieß es, rette sich wer kann! So ging es weiter bis Schwerin. Wir waren noch ein recht schöner Haufen, der am 01. Mai geführt von Hauptmann Fritz, der zu der Zeit unser Batteriechef war, in Schwerin ankamen. Am Stadtrand von Schwerin übernachteten wir in einer Villa. Unser Koch, ein Gefreiter aus Chemnitz von Beruf Fleischer, kochte uns in der Waschküche der Villa einen herzhaften Eintopf mit viel Fleisch. Am nächsten Morgen (2. Mai) staunten wir nicht schlecht als auf der Strasse ein Panzer mit einem fünfzackigen Stern stand. Wir glaubten im ersten Moment es seien Russen. Zum Glück waren es Amerikaner. Nach der ersten Begegnung mit zwei betrunkenen Amis, die uns um einiges erleichterten, wurden wir auf einer Waldwiese zusammengepfercht. Von hier aus gings in ein Luftwaffennachschublager an einem See bei Schwerin, in dem wir einige Zeit verbrachten. Bevor dieses Gebiet von den Engländern an den Russen abgetreten wurde, wurden wir in Schwerin-Görries in Eisenbahnwagons verladen und nach Neustadt Schleswig-Holstein gebracht. Nach einem langen Fußmarsch, auf dem wir sehr dursteten und Gefr. Juraschka uns von seinem Priem etwas abgab, um etwas Speichel im Mund zu haben, landeten wir in Großenbrode. Auf dem Rollfeld des Seefliegerhorstes lag ich mit Ulli Wagner, Horst Weichelt, Günter Zachow und Willi Zaube in einem Zelt zusammen. Im Aug. oder Sept. 1945 wurden wir von da aus entlassen oder beurlaubt und unsere Wege trennten sich. Keiner hat daran gedacht, dass wir uns erst in 50 Jahren wiedersehen würden. Wir gingen in dem Glauben auseinander, uns bald in Stargard, unserer Vaterstadt, wiederzusehen.
Herbert Bliesener Koch-Gotha-Str. 5 18055 Rostock
zurück zum Inhaltsverzeichnis