Die Ablassung des Madüsees 1770-1774

Eine Provinz im Frieden erobert

Dietrich Otto
dietrichotto@arcor.de

20.1.2012

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Madüsee Ablassung

Abb.1 Madüsee um 1764

Ständige Überschwemmungen vor allem in Pommern und der Neumark, dem Gebiet der Warthe und Netze südlich von Pommern, verursachten immer wieder große Schäden. Schon Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, hatte sich bemüht, diesem Problem entgegen zu wirken. Friedrich der Große wollte mit seinem Regierungsantritt 1740 das Werk seines Vaters fortsetzen, war allerdings bis zum Ende der ersten beiden Schlesischen Kriege 1744 davon abgehalten. Erst 1746 gab der König die Weisung, „mit aller Force“ das Werk in Angriff zu nehmen. Die Aufgaben bestanden darin, Sumpfgebiete trocken zu legen, Flüsse zu begradigen und Seen abzusenken. Auf den dadurch gewonnenen Böden sollten Kolonistendörfer gegründet werden, wegen der geringen Bevölkerungsdichte in den betroffenen Gebieten wollte der König Ausländer dafür gewinnen. Das führte in den folgenden Jahren immer wieder zu Schwierigkeiten, die Neusiedler kamen aus Ländern, die Pommern benachbart waren, sie waren meistens Handwerker. Sie waren nicht mit den Verhältnissen vor Ort vertraut. Als Mittelsmänner wurden Entrepreneure eingesetzt, die in jeweils einem Gebiet alles zu regeln hatten, sie mussten das Land siedlungsreif machen und darauf achten, dass alle Zusagen des Königs gegenüber den Kolonisten auch umgesetzt wurden. Die Vorgaben des Königs nach Schnelligkeit, Sparsamkeit und Dauerhaftigkeit ließen sich nur schwer in Übereinstimmung bringen.

1753 beauftragte der König seinen Vertrauensmann für die Kolonisation Pommerns, Generalmajor Moritz von Dessau, der damals den Standort Stargard befehligte, mit der Untersuchung der Verhältnisse, inwieweit die Kabinetts Ordres durchgesetzt waren. Der Prinz tat das mit Sachkenntnis und hatte ein offenes Ohr für beide Parteien, die Entrepreneure und die Kolonisten. Bereits 1751 hatte er das erste Kolonistendorf am Nordrand des Madüsees gegründet, das bis 1945 nach ihm benannt Moritzfelde hieß. Trotzdem erhielt der König 1754 bei einem Besuch in Stettin so viele Beschwerden, dass er darauf mit einer verschärften Kabinetts Ordre reagierte. Die Arbeiten wurden durch den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) unterbrochen. Bereits 1760 starb Prinz Moritz im Alter von 48 Jahren.

Brenckenhoff

Brenckenhoff (1723-1780)

Von 1762 bis 1780 war Franz Balthasar Schönberg von Brenckenhoff (1723-1780) für alle Meliorationsarbeiten verantwortlich. Er hatte sich bereits im Siebenjährigen Krieg als Organisator in mehrfacher Hinsicht bewährt. Er stand ständig schriftlich und in Audienzen mit dem König in Verbindung und genoss sein volles Vertrauen. Er musste den Fortgang auf allen Baustellen überprüfen. sein wichtigster Mitstreiter war David Gilly (1748–1808). Das große Interesse des Königs am Fortgang der Arbeiten zeigte sich durch genaue Vorgaben für jedes Projekt. Die schriftlichen Berichte von Brenckenhoff wurden immer umgehend beantwortet.

Die Ablassung des Madüsees ist detailliert in [2] und [3] beschrieben. Der Madüsee liegt 7km westlich von Stargard. An seinem Nordufer führt die Straße von Stargard nach Stettin vorbei. Der Madüsee wurde erstmalig um 1220 urkundlich erwähnt. Zum Zeitpunkt der Ablassung 1771 lag der Wasserspiegel 16m ü. NN.

Gilly

David Gilly 1748-1808

Der heutige Wasserspiegel, der durch die Absenkung 1770 erreicht wurde, beträgt 14m ü. NN. laut Wikipedia, für 1772 wird 13,70m angegeben. Die Angaben über die Höhe des Wasserspiegels unterscheiden sich in verschiedenen Quellen etwas. Es treten jahreszeitliche Schwankungen von etwa 65 cm auf. Die Plöne ist der einzige Zufluss und Abfluss. Für den damaligen hohen Wasserstand kommen mehrere Gründe infrage, die immer höhere Stauung durch die Mühlen an der Plöne, auch durch die Mönche des Klosters Kolbatz, die geringe Durchlässigkeit des Flusses, Sedimentabsetzungen in der Plöne. Der Madüsee nimmt jetzt eine Fläche von 35 qkm ein bei einer Länge von 15,5km und einer Breite von 3,2km. Die maximale Tiefe beträgt 43,8m. Er dient als Trinkwasserreservoir für Stettin. Die Höhe des Wasserspiegels wird jetzt reguliert.

In der Karte von 1764 (Abb.1) erkennt man die bauchige Form im Südwestteil. Hier befanden sich auch große Sumpfgebiete, so dass diese Gegend kaum bevölkert war. Aber auch bei Moritzfelde am Nordufer gab es ein sumpfiges Gebiet. Die Straße von Stargard nach Stettin war deshalb nördlicher angelegt als heute.

Der Startschuss für die Ablassung des Madüsees wurde von dem König in einem Schreiben vom 23. November 1769 gegeben. Es sollte ein Kostenvoranschlag unterbreitet werden, eine Einschätzung erfolgen, wie viel Familien auf dem urbar gemachten Gebiet angesiedelt werden können. Die Arbeiten sollten innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden. Brenckenhoff hatte schon lange auf die Ausführung gedrängt, der König dies abgelehnt wegen parallel verlaufender Arbeiten an Warthe und Netze. Die Arbeiten konzentrierten sich nun auf den Ausbau der PLöne. Vor Ort war vor allem David Gilly ab September 1770 tätig. Er war für alles verantwortlich, er hatte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Arbeiten abzuschließen, hatte überall zu sparen, solide zu bauen, überall dabei zu sein, sich um die Einrichtung der Kolonistendörfer zu kümmern. Hinzu kamen ständige Mahnungen, die umso dringlicher wurden, nachdem der Zeitplan in Gefahr geriet und eine Kostenüberschreitung drohte. Es war seine erste Anstellung, nachdem er sein Landbaumeisterexamen im Juli 1770 mit sehr gut bestanden hatte. Brenckenhoff ließ sich ständig über den Fortgang der Arbeiten berichten und gab detaillierte Anweisungen.

Madüsee Ablassung

Abb.2 Verlauf der Plöne

Die Entfernung vom Madüsee bis zur Mündung in den Dammschen See beträgt 25km, dabei durchfließt die Plöne zuerst den Selowsee. Es waren schwierige Bedingungen für die Arbeiter, abgesehen von den Mühlen an der Plöne war das Gebiet beiderseits der Plöne kaum besiedelt. Teilweise mussten die Arbeiter im Wasser stehen, ohne dafür ausgerüstet zu sein. Es wurde während aller Jahreszeiten gearbeitet, es gab keine Möglichkeit zum Aufwärmen. Folgende Arbeiten waren auszuführen: Weggraben von Ecken, Durchstiche, durchgehende Verbreiterung, Inseln und Sandbänke abtragen, Vertiefung des Flussbettes. Es war schwierig, genügend Arbeitskräfte zu erhalten. Teilweise wurden die Bewohner der umliegenden Dörfer und Soldaten aus Stargard und Pyritz herangezogen. Die schwierigen Bedingungen und die geringe Bezahlung führten immer wieder zum Ausfall von Arbeitskräften. Arbeitsgeräte waren Schippen, Spaten, Schaufeln mit Seitenverkleidungen zum Ausschöpfen des Wassers, Eimer für denselben Zweck, Karren, Winden. Größtenteils mussten die Arbeiter die Gerätschaften selbst mitbringen, zumindest galt das für höher qualifizierte Arbeiter wie etwa Zimmerleute. Alle Arbeiten mussten mit Menschenkraft ausgeführt werden. Die Plöne musste jeweils so gestaut werden, dass in bestimmten Abschnitten gearbeitet werden konnte. Das führte zu Konflikten mit den Müllern, diese waren jeweils verpflichtet, für ein zugewiesenes Gebiet alle Mahlarbeiten durchzuführen und benötigten dazu ständig genügend Wasser. Im Laufe der Arbeiten wurden die Mühlen in Kolbatz und Jeseritz ("Je" in der Abb.3) abgerissen und durch 5 Windmühlen ersetzt. Beide Mühlen gehörten dem König, so dass es keine rechtlichen Probleme gab. Der Floßgraben, der von der Plöne abzweigt, musste auch zur Entlastung ausgebaut werden. Zeitweise wurde Wasser über den Floßgraben auf freie Flächen abgelassen.

Die Arbeiten wurden in der Reihenfolge so ausgeführt, dass man sich immer mehr dem Madüsee näherte, dort wurde die Plöne auf 14m verbreitert. Die Archen (Schleusen) mussten umgebaut werden, da die Plöne teilweise verbreitert wurde, außerdem mussten sie nach der Ablassung einem stärkeren Wasserdruck standhalten. Fangdämme mussten gebaut werden, um bestimmte Abschnitte der Plöne sperren zu können. Es war schwierig, in dieser unbewohnten Gegend Arbeitsgeräte und Material zu transportieren. Parallel zu den Arbeiten musste immer möglichst viel Wasser aus dem Madüsee abgelassen werden, um den Wasserstand des Madüsees vor der Ablassung nicht noch zu erhöhen. Schon im Januar 1770 hatte man mit der Ablassung begonnen, indem man die Höhe der Archen kappte. Man musste dann die Ablassung wieder reduzieren, um in bestimmten Strecken der Plöne arbeiten zu können.

Alle Arbeiten wurden immer unter einem starken Zeitdruck ausgeführt, es gab viele Unwägbarkeiten wie bei allen Wasserbauarbeiten, die das vorgegebene Kostenlimit zu sprengen drohten. Einen Rückschlag gab es im Februar 1771 mit dem Durchbruch des Wassers bei der Arche in Hohenkrug. Dort arbeiteten im Mai 1771 250 Mann unterhalb, 200 Mann oberhalb von Hohenkrug. Bei den Arbeiten stieß man auch immer wieder auf tieferliegende Fundamente, ein Beweis dafür, dass das Plönebett früher tiefer lag. Ende August 1771 ist der große Fangdamm bei Kolbatz so ausgebaut, dass er dem zu erwartenden Druck wird standhalten können. In Kolbatz wurde parallel zur Plöne ein Kanal gebaut, vermutlich um die Plöne hier ausbauen zu können. Bei Google Maps sind auch jetzt noch 2 Ausflüsse aus dem Selowsee zu entdecken, die sich hinter Kolbatz vereinigen. Im November setzte bereits Frost ein. Am 25. November erfolgte der entscheidende Durchstich des Fangdammes bei Kolbatz. Dies war die gefährlichste Situation, die Mühlenbesitzer entlang der Plöne wurden zu höchster Wachsamkeit aufgerufen. Der Höhenunterschied vor und hinter dem Fangdamm betrug 2,7m. Die Wassermassen stürzten sich mit voller Wucht in das Plönebett. Der gesamte Fangdamm wurde mitgerissen. Das führte dazu, dass die Abflüsse der Archen durch mitgeführte Baumstämme und sogar Eisblöcke zu verstopfen drohten. Unter Einsatz aller Kräfte wurde oft in letzter Minute Abhilfe geschaffen. Am 28. November war der Wasserspiegel des Madüsees bei Selow um 25cm gefallen, am 29. November um 30cm. David Gilly hatte sich durchgesetzt, an der Plöne solide Archen zu bauen gegenüber anderen, die darauf hinwiesen, dass der große Wasserdruck nur wenige Tage anhalten und man das überstehen würde. Bei einem Misslingen der Aktion wären wahrscheinlich die Mühlen weggespült worden, es hätte zu Hochwasser in Altdamm führen können. Nach Gilly hatte der Madüsee 1772 einen Wasserstand von 13,70m.

Madüsee Ablassung

Abb.3 Madüsee nach der Ablassung

Parallel musste die Kolonisation vorbereitet werden, auch dafür war Brenckenhoff verantwortlich und ebenso Gilly. Das neugewonnene Land konnte für Ackerbau und Weideflächen genutzt werden. Dazu waren weitere Meliorationsarbeiten notwendig, Hauptkanäle und Abzugsgräben wurden angelegt. Die Abbildung 3 zeigt gegenüber der Abbildung 1 die Veränderungen am Madüsee. In den alten Dörfern musste die Verteilung der landwirtschaftlichen Flächen neu geregelt werden, man bemühte sich um einvernehmliche Lösungen, die Anfahrtswege sollten möglichst kurz gehalten werden. Kossäten sind die Dorfbewohner, die nur ein Haus und wenig Land besitzen. Aus ihnen wurden teilweise Bauern. Die Hand- und Spanndienste mussten neu geregelt werden, Kolbatz war eine königliche Domäne. Gelang das nicht, blieb als letzter Ausweg eine Beschwerde direkt beim König, die jedem Untertan zugebilligt wurde. Der König beauftragte dann mit der Klärung die zuständige Behörde in dem Gebiet. Auf der Ostseite des Madüsees gab es kaum Veränderungen, die Uferlinie veränderte sich nicht, die Dörfer waren dort höher gelegen. Die meisten neuen Dörfer wurden im Südwesten des Madüsees angelegt und überwiegend mit Ausländern besetzt. Es konnten etwa 200 Familien angesiedelt werden, die Dörfer wurden meistens nach den verdienten Wasserbaumeistern benannt, David Gilly hatte man vergessen. Für diese Familien mussten Häuser gebaut werden, das Holz wurde vorwiegend in den Wäldern nördlich von Moritzfelde geschlagen. Die bisher versumpften und häufig überschwemmten Gebiete am Rande des Madüsees mussten nutzbar gemacht werden, Büsche und deren Stubben entfernt werden, was eine mühsame Arbeit war und sich über Jahre hinzog. Die neu Angesiedelten wurden in den ersten Jahren vom Zins befreit, trotzdem hatte es die erste Generation am schwersten.

Für die Zeit von 1772 bis 1774, die dann unter Leitung des Landbaumeisters Geibler stand, sind die folgenden Arbeiten hervorzuheben: Die Nebenseen westlich des Madüsee wurden abgelassen, so der Bangastsee. Die Paßmühle am Zufluss der Plöne in den Madüsee wurde tiefer gelegt, damit erreichte man eine teilweise Entwässerung des Plönebruchs. Die eigentliche Trockenlegung erfolgte erst 1854 durch den Schöningskanal. Die Trockenlegung des Gebietes am Nordrand des Madüsees führte 1775 zur Gründung des Kolonistendorfes Carolinenhorst ("Ca").

Für die Fischerei ergab die Ablassung Nachteile, die flachen Uferzonen waren verschwunden. An der neuen Uferlinie wurde der See gleich tief, so dass dort mit den bisherigen Methoden nicht gefischt werden konnte. Besonders war das direkt am Madüsee gelegene Dorf Selow betroffen. Solche Auswirkungen musste man in Kauf nehmen. Insgesamt führte die Ablassung zu verbesserten Lebensbedingungen und zu einer größeren Bevölkerungsdichte. Eine Verbesserung für die Einnahmen des Staates wurde erst für 1793 erwartet.

Madüsee Ablassung

Abb.4 Gebiet um Stargard

Es gibt Anzeichen dafür, dass der Madüsee zur Wendenzeit etwa bei 13,5m stand. Nach der Ablassung entdeckte man bei Kolbatz alte Entwässerungsgräben, die darauf hindeuten, dass die Mönche sich bereits mit Meliorationsarbeiten beschäftigten. Ihre Arbeit wurde zunichte gemacht durch den dann erfolgten höheren Wasserstand. In Werben kamen Fundamente von Häusern zum Vorschein. Der Mühlenbau begann um 1200 in Kolbatz, um 1300 wurde die Mühle in Jeseritz angelegt. Insgesamt gab es dann 6 Mühlen entlang der Plöne vom Madüsee bis zum Dammschen See. Das trug dazu bei, dass sich der Wasserstand erhöhte. Durch die Sedimentabsetzung in der Plöne waren die Müller gezwungen, immer höher zu stauen.

Die Meliorationsarbeiten in dem Gebiet von Ihna und Krampehl wurden danach unter der Oberleitung von Brenckenhoff durchgeführt. Brenckenhoff ließ untersuchen, einen Kanal zwischen Ihna und Drage zu bauen und die Ihna ab Stargard wieder schiffbar zu machen. Damit wäre eine Verbindung von Netze über Drage und Ihna bis zum Dammschen See geschaffen. Aus Kostengründen musste das verworfen werden. Die örtliche Leitung hatte ab 1772 wiederum David Gilly. Vor allem ging es darum, das Ihnatal zwischen Reetz und Stargard zu entwässern. Eine genaue Beschreibung der Meliorationsarbeiten bei Stargard findet man bei [4]. In Stargard gibt es einen Abzugsgraben parallel zur Zartzigerstraße (Bydgoska), der bis 1945 nach Brenckenhoff benannt war.

Literatur:

  1. Otto Gebhard: „Friderizanische Kolonien und Kolonisten in Pommern nach dem Stande des Jahres 1754“ Familiengeschichtliche Mitteilungen 1938
  2. Benno von Knobelsdorff-Brenkenhoff: „Eine Provinz im Frieden erobert“ 1984, alle Abbildungen sind diesem Buch entnommen.
  3. Ernst Gaedke:“Die Ablassung des Madü unter Friedrich d. Gr. 1770-1774“ 1936
  4. Alfred Schwichtenberg: „Wasserwirtschaft und Wasserbau in und oberhalb Stargards bis zum Jahre 1945“ Stargarder Jahresblatt 1997/1998, Homepage Heimatkreis Stargard

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