Geschichte des Telegraphenbaus 1935 - 1945

Dr. Manfred Schultz, Unter den Eichen 26, 14461 Paulienaue

Verschiedentlich ist in den Stargarder Jahresblättern (1996, 1999, 2000 und 2009) über die Postgeschichte unserer Heimatstadt berichtet worden. Als Ergänzung jener Darlegungen ist diese Mitteilung gedacht. Der Deutschen Reichspost war zur damaligen Zeit neben vielen anderen Bereichen der Telegraphenbau unterstellt. Mein Vater Werner Schultz wurde 1898 in Rummelsburg / Hinterpommern geboren. 1921 erlitt er als Bergarbeiter unter Tage in einem Steinkohlenbergwerk in Schlesien einen Arbeitsunfall, demzufolge seine rechte Hand schwer verletzt wurde. In Breslau schloss er 1925 sein Studium an der Staatlichen Höheren Maschinenbauschule mit dem Ing. Examen ab. Am 16.08.1928 trat er seinen Dienst bei der Oberpostdirektion (2) Stettin als Tech. Telegraphensupernumerar (Beamtenanwärter) an. Nach mehrjähriger Ausbildung auf dem Gebieten des Telegraphen- und Fernmeldewesens in deren Einzugsbereich wurde er 1928 nach vorangegangener Prüfung durch die OPD (2) Berlin zum Tech. Obertelegraphensekretär befördert. Am 18.10.1935 wurde ihm durch das TBA (4) (Telegraphenbauamt) Stettin die Leitung des TBZ (5) (Telegra-phenbaubezirk) II mit Sitz in Stargard übertragen. Gruppenfoto vom 18.10.1935.

Telegraph

Vielleicht gibt es ja noch Zeitzeugen, die auf dieser Aufnahme ehemalige Kollegen  oder Vorfahren erkennen. Für diesbezügliche Informationen wäre ich sehr dankbar. Der TBZ (5) II war dem TBA (4) Stettin unterstellt und oblag der Verantwortung meines Vaters bis zum 04.03.1945, als in den Morgenstunden die Rote Armee Stargard erreicht hatte. Trotz intensiver Bemühungen konnte ich bis heute nicht in Erfahrung bringen, welches Territorium oder Kreise TBZ (5) II umfasste. Stargard, die Kreise Saatzig und Regenwalde gehörten gewiss dazu. Über weitere Gebiete vermag ich keine sichere Auskunft zu treffen. Möglicherweise gibt es noch jemanden, der darüber Auskunft geben könnte. Den Aufzeichnungen meines Vaters folgend, waren ihm vier Bautrupps unterstellt, deren Aufgabe in der Umsetzung folgender Arbeitsschwerpunkte bestand:

Die Thematik und der Umfang dieser Ausführungen gestatten es nicht, detailliert über das weitere Schicksal unserer Familie zu berichten. Wir mussten es mit vielen anderen Stargardern teilen:

Passierschein

Der in diesem Zusammenhang von uns erwünschte, aber letztendlich doch erzwungene Aufenthalt war alles andere als erfreulich. Er umfasste etwa den Zeitraum vom 07.06. - Ende/Anfang Juli 1945. Zunächst war mein Vater etwa drei Wochen beim polnischen Landesbauamt als Arbeiter tätig. Dann wurde er zum russischen Kommandanten befohlen, welcher seinen Sitz in der Hindenburgstr. 16-18, dem ehemaligen Landratsamt, hatte. Seine Aufgabe war es, für ihn etwa eine Woche lang Kabellagepläne aufzustellen. Sämtliche diesbezügliche Unterlagen, sofern sie nicht rechtzeitig ausgelagert worden sind, fielen ja mit großer Wahrscheinlichkeit dem Anfang März 1945 erfolgten Bombardement Stargards, durch welches bekanntermaßen auch das Postamt stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, zum Opfer. Aus dieser Zeit stammt nun der in russischer Sprache verfasste, äußerlich eher unscheinbare Ausweis bzw. Passierschein Nr. 2506, meinen Vater betreffend, im Originalformat etwa 21,0 cm x 15,2 cm. Ausgestellt wurde er am 25.06.1945 von der Verwaltung des Kriegskommandanten des Bezirkes Stargard, unterschrieben von Leutnant Sabopotski, gültig vom 24.06.- 01.07.1945. In freier Übersetzung beinhaltet er, dass Werner Schultz, der Inhaber dieser Bescheinigung, im Auftrage der Kriegskommandantur der Stadt Stargard an der Wiederherstellung der Telefonverbindungen der Stadt arbeitet. Ihm wird erlaubt sich von 8°° - 22" Uhr auf dem Gebiet der Stadt zu bewegen.

Nach der Vertreibung aus Stargard erkrankte mein Vater Ende Juli 1945 an Unterleibs-Typhus, den er unter katastrophalen Verhältnissen im Städt. Krankenhaus in Stralsund überstanden hat. In der Folgezeit arbeitete er in Stralsund und Demmin in verschiedenen Dienststellen des Telegraphen- und Fernmeldebereiches. Zunehmende gesundheitliche Probleme beeinträchtigten seine Leistungsfähigkeit. 1954 verstarb er nach schwerer Krankheit in Stralsund.

Anmerkungen:

Die im Text benutzten Abkürzungen waren damals im Hinblick auf die ausgesprochen langen Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen üblich. Nachfolgende Erläuterungen sollen den nicht eingeweihten Lesern zum besseren Verständnis dienen.

Krf  Kraftfahrer
OPD Oberpostdirektion
Tarb Telegraphenbauamt
TBA Telegraphenarbeiter
TBZ Telegraphenbaubezirk
TLA  Telegraphenleitungsaufseher
TOTS Techn. Obertelegraphensekretär
TS Telegraphensekretär
TTI Techn. Telegrapheninspektor

zurück zum Inhaltsverzeichnis